„Es umschließt die Zielstruktur wie ein Käfig“

Neues Antibiotikum: Clovibactin gegen Resistenzen

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Berlin -

Die Resistenzen bakterieller Keime nehmen weltweit zu. Das besorgt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die diese Entwicklung als „globale Bedrohung für die Gesundheit“ einstuft. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie könnte das neue Antibiotikum Clovibactin abhilfe schaffen. „Es attackiert hochwirksam die Zellwand von Bakterien einschließlich zahlreicher multiresistenter Krankenhauskeime“, so die Forscher:innen zu den in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlichten Ergebnissen.

Wie die EU-Gesundheitsbehörde ECDC Ende vergangenen Jahres berichtete, nehmen Antibiotika-Resistenzen zu. So starben im Europäischen Wirtschaftsraum jährlich mehr als 35.000 Menschen aufgrund von solcher Resistenzen, davon 2500 in Deutschland. Forschende der Universität Bonn des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), der Universität Utrecht (Niederlande), der Northeastern University in Boston (USA) und der Firma NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge (USA) haben ein neues Antibiotikum entdeckt: Clovibactin.

Wettlauf gegen Resistenzen

„Wir brauchen dringend neue Antibiotika, um im Wettlauf gegen resistent gewordene Bakterien zu bestehen“, so Dr. Tanja Schneider vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn. „In den vergangenen Jahrzehnten sind nicht mehr viele neue Substanzen zur Bekämpfung bakterieller Erreger auf den Markt gekommen“, so die Forscherin.

Die Herkunft des neuen Wirkstoffs sei aus einer Bodenprobe im US-Bundesstaat North Carolina mit dem Bakterium Eleftheria terrae subspezies carolina isoliert worden. „Es produziert den Wirkstoff Clovibactin, um sich vor konkurrierenden Bakterien zu schützen. Es attackiert gleichzeitig an mehreren Stellen den Aufbau der bakteriellen Zellwand, indem es essentielle Bausteine blockiert“, so Schneider. Es hefte sich mit ungewöhnlicher Intensität gezielt an diese Bausteine und töte die Bakterien, indem es ihre Zellhülle zerstöre, so die Forscherin. Untersuchungen konnten zeigten, dass Clovibactin um die Pyrophosphatgruppe pathogener Keime greift und sie wie ein Käfig umschließt. So lässt sich auch der Name herleiten: vom griechischen Klouvi zu deutsch Käfig.

Wirkweise entschlüsselt

Die genaue Funktionsweise konnten die Forschungsgruppen aus unterschiedlichen Disziplinen und Ländern nun entschlüsselt. Das Team um Prof. Kim Lewis vom Antimicrobial Discovery Center der Northeastern University in Boston (USA) und die Firma NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge (USA) konnten den neuen Wirkstoff mit der iCHip-Apparatur entdecken. „Damit lassen sich Bakterien im Labor züchten, die bislang als unkultivierbar galten und für die Entwicklung neuer Antibiotika nicht zur Verfügung standen“, so die Forscher:innen.

„Unsere Entdeckung dieses aufregenden neuen Antibiotikums bestätigt die iCHip-Kultivierungstechnologie bei der Suche nach neuen therapeutischen Wirkstoffen aus bisher nicht kultivierten Mikroorganismen“, so Dr. Dallas Hughes, Präsident von NovoBiotic Pharmaceuticals. Das Unternehmen habe gezeigt, dass Clovibactin eine sehr gute Aktivität gegen ein breites Spektrum von bakteriellen Krankheitserregern aufweise. Zudem habe es in Modellstudien erfolgreich Mäuse behandelt.

Weiter Weg zum Fertigarzneimittel

Das neue Antibiotikum wirke laut den Forscher:innen vor allem auf grampositive Bakterien wie die als Krankenhauskeime bekannten Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA). Aber auch die Erreger der weit verbreiteten Tuberkulose können mit Clovibactin bekämpft werden: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Bakterien nicht so schnell Resistenzen gegen Clovibactin entwickeln“, so Schneider. Denn „die Erreger können die Zellwandbausteine nicht so leicht verändern, um das Antibiotikum zu unterlaufen“, somit bleibe die „Achillesferse“ bestehen.

Das Forschungsteam will die Erkenntnisse nutzen, um die Wirksamkeit von Clovibactin weiter zu steigern: „Bis das neue Antibiotikum auf den Markt kommt, ist es noch ein weiter Weg“, so Schneider.

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