Was macht Ibuprofen mit Sars-CoV-2?

Covid-19: Fieber senken fraglich

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Berlin -

Nach den Meldungen vom Wochenende haben sich viele Bürger und auch Experten die Frage gestellt, weshalb Ibuprofen den Verlauf einer Infektion mit Sars-CoV-2 verschlimmern soll. Angefangen als Falschmeldung, äußerten sich immer mehr Fachgesellschaften zu dem Thema. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät von einer Einnahme des NSAID bei vorliegender Corona-Infektion ab. Die Arzneimittelkommission (AMK) verweist darauf, dass es keine wissenschaftlichen Belege zu dieser Annahme gibt. Nun gibt es neue Erklärungsversuche, die die generelle Einnahme von antipyretischen Mitteln während einer Infektion mit dem Coronavirus kritisch beleuchten.

Studienlage dünn

Bislang gibt es keine aussagekräftigen Studien darüber, ob Ibuprofen eine Infektion mit Sars-CoV-2 verschlimmert. Das Fachjournal „The Lancet“ hat das Thema zuletzt als medizinische Hypothese diskutiert. Hier werden neben dem Analgetikum auch ACE-Hemmer als kritisch zu hinterfragende Substanzen genannt.

Fiebersenkende Wirkung als Risikofaktor

Nun wird diskutiert, ob die generelle antipyretische Wirkung eine Gefahr darstellt. Grundlage für diese Annahme sind einzelne Studien, die zeigen, dass Virus-Infektionen wie die Influenza unter der Einnahme von Ibuprofen länger anhalten.

In einer amerikanischen Studie heißt es: „Bei mit Influenza A infizierten Personen bestand eine bemerkenswerte Korrelation zwischen der Antipyretikatherapie und der Krankheitsdauer.“ Konkret bedeutet dies: Die Probanden, die während der Grippe regelmäßig Ibuprofen zur Fiebersenkung einnahmen, waren im Schnitt zwei Tage länger krank als Personen aus der Vergleichsgruppe. Diese Studie beschäftigte sich nur mit Influenza A Viren – eine reine Übertragung auf Sars-CoV-2 ist nicht möglich, hier wären weitere Studien notwendig.

Darüber hinaus gibt es Studien und wissenschaftliche Artikel, die sich mit den Auswirkungen einer dauerhaften Fiebersenkung auseinandersetzen. Fieber ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Die höhere Körpertemperatur sorgt dafür, dass viele Stoffwechselvorgänge beschleunigt ablaufen können. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob diese Unterdrückung zu längeren oder schwereren Krankheitsverläufen führen könnte.

Wer Fieber hat bleibt eher zu Hause

In einem wissenschaftlichen Artikel des „Institute for Infectious Disease Research“ aus Kanada von 2014 heißt es: „Eine Verringerung des Fiebers kann die Übertragung der damit verbundenen Infektionen erhöhen. Eine höhere Übertragungsrate impliziert, dass ein größerer Teil der Bevölkerung sich infizieren wird, sodass ein weit verbreiteter Konsum von Antipyretika wahrscheinlich zu höheren Krankheitszahlen führen kann.“ Der wissenschaftliche Artikel geht im Umkehrschluss davon aus, dass Populationen, die keine fiebersenkenden Mittel einnehmen, weniger hohe Infektionszahlen aufweisen, da Erkrankte eher Bettruhe wahren und keine sozialen Kontakte pflegen.

Nicht der Wirkstoff sei das Problem

Andere Studien zeigen, dass nicht die Substanz selbst in Wechselwirkung mit den Erregern tritt, sondern der generell fiebersenkende Effekt zu schwereren Verläufen führen kann. Eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie der University of Adelaide, South Australia, mit Rhinoviren konnte die Auswirkungen von rezeptfreien Antipyretika auf die Virusausscheidung, die Immunantwort und den klinischen Status bei Erkältungen zeigen. Hierfür wurden 60 gesunde Freiwillige intranasal mit Rhinovirus Typ-2 belastet und in einen der vier Behandlungsarme reingeteilt: Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen oder Placebo.

Die Verwendung von Aspirin und Paracetamol war mit einer Unterdrückung der serumneutralisierenden Antikörperantwort und erhöhten nasalen Symptomen verbunden. Ein gleichzeitiger Anstieg der Monozyten deutete darauf hin, dass die Unterdrückung der Antikörperantwort durch Arzneimittelwirkungen auf Monozyten oder Phagozyten vermittelt werden kann. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Virusausscheidung zwischen den vier Gruppen, aber ein Trend zu einer längeren Dauer der Virusausscheidung wurde in der Aspirin- und der Paracetamol-Gruppe festgestellt.

Aktuelle Empfehlung hinterfragen

Die Datenlage ist dünn. Die jetzigen Empfehlungen seitens der WHO und der französischen Regierung, auf andere Analgetika umzusteigen, sollte ebenfalls hinterfragt werden. Es liegen keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten zu alternativen Wirkstoffen bei einer vorliegenden Corona-Infektion vor. Einzelne Studien deuten darauf hin, dass es bei der Einnahme von Antipyretika generell zu längeren und dadurch auch schwereren Infektionsverläufen kommen kann. Mit der Einnahme von Analgetika könnte es zu einer vermehrten Verbreitung der Keime kommen, da Erkrankte sich fit fühlen – obwohl sie noch ansteckend sind – und verfrüht am Alltag teilnehmen und soziale Kontakte pflegen.

EMA sieht keinen Zusammenhang

Laut Europäischer Arzneimittelagentur (EMA) besteht kein wissenschaftlich erwiesener Zusammenhang zwischen der Einnahme von Ibuprofen und einem schwereren Verlauf einer Corona-Erkrankung. „Wir begrüßen, dass die EMA eine klare Aussage getroffen hat und kursierenden Falschmeldungen und einer damit verbunden Patientenverunsicherung entgegentritt“, sagt Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

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