MVZ

Koalition verabschiedet sich von Fremdbesitzverbot

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Mit großer Hoffnung war nach der Bundestagswahl der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag erwartet worden. Doch grundlegende gesundheitspolitische Versprechungen wurden nicht erfüllt - nicht nur das angekündigte Pick-up-Verbot. So wollte die „Wunschkoalition“ eigentlich den Einfluss externer Kapitalgeber bei der ärztlichen Versorgung eindämmen und ein Fremdbesitzverbot für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) einführen. Doch die Experten von Union und FDP scheinen heute anderer Meinung zu sein.

Laut Unionsfraktion stellen die derzeit rund 1500 MVZ eine wichtige Ergänzung in der ambulanten Versorgung dar. Zwar müsse verhindert werden, dass „Kapitalbeteiligungen und Renditestreben Vorrang vor freiberuflicher Therapiefreiheit“ erlangten: „Gewinnmaximierung darf niemals Vorrang haben vor den Bedürfnissen einer qualitativen Patientenversorgung“, heißt es im CDU/CSU-Konzept zum geplanten Versorgungsgesetz. Doch der Instrumentekasten hat sich seit dem Antritt der Regierung grundlegend verändert.

Im Koalitionsvertrag wurde es noch als „wesentlich“ erachtet, dass „die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten zusteht und das MVZ von Ärztinnen und Ärzten verantwortlich geführt wird“. Aktuell will die Union nur noch sicherstellen, dass „die Leitung in der medizinischen Versorgung eines MVZ rechtlich wie praktisch in ärztlicher Hand liegt“. Außerdem sollen MVZ ausschließlich als Personengesellschaft oder GmbH betrieben werden können. Von Mehrheitsanteilen und Stimmrechten ist keine Rede mehr.

„Niemand beabsichtigt, anderen Kapitalgebern als medizinischen Leistungserbringern eine Beteiligung an MVZ zu ermöglichen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. „Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die Ärztinnen und Ärzte in einem MVZ über Therapie und Behandlung der Patienten eigenständig und frei entscheiden. Alle weiteren Fragen wird die Koalition in dem nächsten Wochen beraten und erarbeiten.“

Beim Koalitionspartner heißt es ähnlich: „Der Arzt muss die Verantwortung tragen“, argumentiert Ulrike Flach, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP. Die Frage der externen Kapitalgeber müsse grundlegend diskutiert werden.

[Seite] Noch im August hatte Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) in einer gemeinsamen Erklärung mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) versprochen, die im Koalitionsvertrag angekündigte MVZ-Neuregelung schnell umzusetzen. Doch selbst bei den Kassenärzten, einst Vordenker für die Klausel im Koalitionsvertrag, scheint die Stimmung gekippt zu sein: „Ein Arzt soll dem MVZ vorstehen. In welcher Form das passiert, ist ein Detail und soll später geklärt werden“, erklärt ein KBV-Sprecher.

Das wiederum sehen nicht alle niedergelassen Mediziner so gelassen. Die Frage der Trägerschaft sei „von entscheidender Bedeutung“, sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Dr. Wolfgang Krombholz. Die unklare Positionierung zur Aufteilung von Geschäftsanteilen und Stimmrechten im Papier der Union sei „ein mögliches 'Sicherheitsleck', was den Erhalt der uneingeschränkten Therapiefreiheit der Ärzte und Psychotherapeuten betrifft“.

Bei der KBV will man sich zum möglichen Einfluss externer Kapitalgeber in der ambulanten Versorgung derzeit nicht äußern. Vielleicht aus gutem Grund: Weil einzelne Ärzte schon ökonomisch kaum als MVZ-Gründer auftreten können, hatten rund 40 KBV- und KV-Vorstände zusammen mit der Apobank im vergangenen Sommer die Firma Patiomed (heute: Patiodoc) gegründet - eine Betreibergesellschaft für Ärztezentren.

In der Branche gilt es daher als ausgemacht, dass ein Fremdbesitzverbot nicht zu machen ist - weder rechtlich noch politisch. Möglicherweise ist die Diskussion über die Besitzverhältnisse von MVZ ohnehin längst überfällig: Laut Unionspapier soll „das Potential des ambulanten Angebotes der Krankenhäuser“ in unterversorgten Regionen berücksichtigt werden. Im Koalitionsvertrag war seinerzeit noch vorgesehen, dass MVZ nur dann von Kliniken betrieben werden können, wenn „keine Interessenten aus dem Bereich der Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen“.

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