Werbung für Fernbehandlung

Grundsatzstreit um Telemedizin

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Berlin -

Es ist ein Grundsatzstreit um die Werbung für Telemedizin: Das Oberlandesgericht München (OLG) hat der privaten Krankenversicherung Ottonova den Slogan „Bleib einfach im Bett, wenn du zum Arzt gehst“ untersagt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Die Ottonova hatte ihren Versicherten den „digitalen Arztbesuch“ über eine App angekündigt. Beworben wurde dabei nicht nur Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch die Krankschreibung per App. Wörtlich hieß es: „Warum du den digitalen Arztbesuch lieben wirst. Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“ Bei den sogenannten „eedoctors“, die die beworbene Fernbehandlung durchführen sollten, handelte es sich nach Angaben des Unternehmens um Ärzte in der Schweiz.

§ 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet grundsätzlich die Werbung für Fernbehandlungen. Auf diese Vorschrift berief sich die Wettbewerbszentrale in ihrer Klage. „Derartige, zum Teil hilfreiche Modelle von Arzt-Patienten-Kontakten unterliegen besonderen rechtlichen Regelungen“, betont die Wettbewerbszentrale. Deshalb strebt sie eine gerichtliche Klärung an, in welchem Umfang Fernbehandlungen und die Werbung dafür erlaubt sind.

In erster Instanz hatte das Landgericht München I die Werbung untersagt. Das OLG musste sich nun mit der Neufassung dieser Vorschrift befassen, denn Ende 2019 wurde die Vorschrift ergänzt. Hintergrund der Neufassung ist die Lockerung des berufsrechtlichen Fernbehandlungsverbots. Ärzten ist nach der Musterberufsordnung Fernbehandlung im Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, und sie können „dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen“. Das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen gilt laut HWG nicht, „wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“. Was die dort genannten Standards sind, ist laut Wettbewerbszentrale aber „vollkommen ungeklärt“.

Das OLG München vertritt die Auffassung, dass Primärversorgungsmodelle ohne jeglichen persönlichen Kontakt des Patienten mit dem Arzt in dieser generellen Weite und für nicht näher konkretisierte Behandlungsfälle nicht durch den Ausnahmetatbestand des HWG gedeckt sind. Zwar sei potenziellen Patienten bewusst, dass dabei nur eine begrenzte Diagnose- und Behandlungsmöglichkeit bestehe. Doch auch im Rahmen dieser tatsächlich eingeschränkten Möglichkeiten sei eine Werbung für Fernbehandlungen nicht generell zulässig. „Wollte man die hier streitgegenständliche Werbung unter die Ausnahmeregelung des § 9 Satz 2 HWG subsumieren, würde das grundsätzliche Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 Satz 1 HWG im Übrigen praktisch leerlaufen“, so das Gericht in seiner Begründung.

Auch Werbung für Krankschreibung im Wege der Online-Videokonsultation hält das Gericht für unzulässig, weil nach allgemeinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen – gerade bei Patienten, die dem Arzt persönlich unbekannt seien wie im streitgegenständlichen Fall – grundsätzlich erforderlich sei im Sinne von § 9 Satz 2 HWG.

Zur Frage, ob Werbung für digitale Krankschreibungen zulässig ist, führt die Wettbewerbszentrale einen weiteren Prozess gegen ein Softwareunternehmen, das Krankschreibungen im Internet zur Bestellung anbietet. Der Kunde kann auf der Homepage vorgegebene Symptome auswählen, einige Fragen zu seinem Gesundheitszustand beantworten und nach eigenem Ermessen die Dauer der Krankschreibung bestimmen. Wörtlich heißt es: „Für wie viele Tage fühlen Sie sich arbeitsunfähig? Arzt folgt Ihrem Wunsch…“. Sodann kann der Nutzer seine Kontaktdaten und die gewünschte Zahlungsmodalität angeben.

Nach Zahlung erhält der Kunde die Krankschreibung, die von einem Privatarzt ausgestellt ist, digital oder per Post. Bei Testbestellungen der Wettbewerbszentrale kam es dabei zu keinem Kontakt des Kunden mit dem betreffenden Arzt. Auf der Startseite wird zudem geworben mit „100% gültiger AU-Schein“. Die Wettbewerbszentrale hat die Aussage als irreführend abgemahnt: Es sei durchaus umstritten, ob derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen arbeitsrechtlich anerkannt werden müssen.

Das Landgericht Hamburg hat der Klage in erster Instanz stattgegeben. Eine Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Wege der Ferndiagnose verstoße gegen die ärztliche Sorgfalt. Zudem sei die Werbung irreführend, weil dem Leser vorgetäuscht werde, dass die beworbenen Krankschreibungen ohne Arztbesuch unproblematisch gültig seien, was gerade nicht der Fall sei und insbesondere bei gesetzlich Versicherten zu Problemen führen könne.

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