Tödlicher Rezepturfehler

Glukose-Urteil: Apothekerin geht in Revision

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Berlin -

Im Glukose-Prozess will die Verteidigung gegen das Urteil des Landgerichts Köln umfassend Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegen. Man halte die Entscheidung für unzutreffend und rechtsfehlerhaft.

Die Apothekerin wurde unter anderem wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Dabei habe selbst die Staatsanwaltschaft nach der umfangreichen Beweisaufnahme Freispruch beantragt, da die von ihr in der Anklage aufgestellten Hypothesen nicht haltbar gewesen seien, sagt Rechtsanwalt Morton Douglas.

Unberücksichtigt geblieben sei in der mündlichen Urteilsbegründung die Argumentation der Verteidigung, warum es gerade die von allen Zeugen als sorgfältig arbeitend beschriebene Angeklagte gewesen sein soll, die den Fehler im Vorfeld der Abfüllung der Glukose begangen habe – und nicht eine der anderen in Frage kommenden Personen. Dies sei von der Kammer nicht nachvollziehbar dargelegt worden. „Schlicht aus dem Umstand, dass die Angeklagte – wie auch andere Mitarbeiterinnen – möglicherweise Glukose abgefüllt hatte zu schließen, sie müsse es auch gewesen sein, die zuvor die Substanzen zusammengeschüttet hat, bleibt auch nach den Ausführungen des Gerichts reine Spekulation.“

Ausreichende Sorgfalt

Den Sorgfaltsmaßstab, den das Gericht angelegt habe, widerspreche nicht nur jeglicher Lebenserfahrung, sondern sei auch von zwei Sachverständigen verworfen worden: Beide hätten ihr attestiert, dass die Apothekerin unter Berücksichtigung ihres damaligen Kenntnisstandes nicht gehalten gewesen wäre, eine Verunreinigung mit Lidocain in Betracht zu ziehen oder weitere Maßnahmen zu ergreifen. „Selbst nach den tragischen Ereignissen am 19. September 2019 waren die Behörden zunächst nicht davon ausgegangen, dass es zu einer Verwechslung in der Apotheke gekommen war – dieser Ansatz wurde erst Tage später aufgegriffen.“

Douglas versteht nicht, warum das Gericht die „vielfältigen alternativen Abläufe“, die von der Verteidigung aufgezeigt worden waren, unberücksichtigt gelassen habe. Dies werde im Revisionsverfahren zu überprüfen sein. Der Anwalt unterstellt, dass die Entscheidung dem medialen Druck geschuldet sein könnte, der auf diesem Verfahren laste. „Dies gilt erst recht für die Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung, die vom Gericht erst Stunden vor der zunächst vorgesehenen Urteilsverkündung in den Blick genommen wurde, obgleich bereits über drei Monate verhandelt war. Auch dies erscheint als Konzessionsentscheidung, die sich mit den Feststellungen der Hauptverhandlung nicht begründen lässt.“

Freispruch in Sachen Vorsatz

Immerhin sei seine Mandantin vom Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes freigesprochen worden. „Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn das Hauptverfahren wegen diesen von vorne herein abwegigen Vorwürfen nicht eröffnet worden wäre. Durch diesen völlig unzutreffenden Vorwurf wurde das gesamte Verfahren überlagert und es wurde bei allen Beteiligten eine Erwartungshaltung geschaffen, die dem Verfahren nicht gerecht werden konnte.“

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