Blaumachen im Job

Doc Holiday im Visier der Staatsanwaltschaft

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Berlin -

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in einem skurrilen Fall. Bei einer Prüfung an der Uni Hohenheim soll ein Arzt im Mai 48 Studenten krankgeschrieben haben. Alle litten unter Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit. Insgesamt soll er bis zu 145 Krankschreibungen ausgestellt haben. Das wirft die Frage auf: Wann ist ein Student – oder ein Mitarbeiter – tatsächlich krank? Und was kann und darf ein Chef unternehmen, der Zweifel daran hegt, ob es bei der Krankschreibung mit rechten Dingen zuging?

Insider-Schätzungen zufolge machen rund 10 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland gelegentlich blau. Minou Hansen, Leiterin der Adexa-Rechtsabteilung in Hamburg, stellt Apothekenmitarbeitern diesbezüglich allerdings ein positives Zeugnis aus: „Fälle von Mitgliedern, in denen ein solcher Fall vor Gericht geht, sind extrem selten. Ich glaube, das liegt daran, dass Apothekenmitarbeiter ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben. Die gehen noch zur Arbeit, wenn sie krank sind, weil sie das Team nicht im Stich lassen wollen.“

Im Klartext: Die meisten melden sich wohl erst dann krank, wenn sie wirklich nicht mehr in der Offizin stehen können. „In normalen, gut laufenden Arbeitsverhältnissen kommen Probleme wegen ungerechtfertigter Krankschreibungen so gut wie nicht vor“, so Hansen, „aber wenn man schon zerstritten ist, gibt es solche Fälle.“

Der Arbeitgeber kann dann den medizinischen Dienst einschalten. Der prüft, ob und wie krank der Mitarbeiter tatsächlich ist. Der Arbeitnehmer, der unter Verdacht steht, vom Arzt eine Gefälligkeits-Krankschreibung bekommen zu haben, muss sich dieser Untersuchung stellen. Minou Hansen: „Man kann sich nicht weigern.“ Damit die Situation nicht eskaliert, rät sie: „Ich würde immer empfehlen, dass man miteinander spricht.“

 

Grundsätzlich gilt, dass die Beweislast beim Arbeitgeber liegt, falls dieser den Verdacht hegt, dass ein Mitarbeiter gar nicht krank ist, aber eine Krankschreibung eingereicht hat. Darunter fällt zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit auffällig oft vor oder nach dem Wochenende krankgeschrieben war. Auch dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Disputs „Dann bin ich eben morgen krank!“ entgegenzuschmettern, kann nach hinten losgehen. Dies wäre nämlich ebenfalls ein Anlass für Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Krankschreibung.

Ist der medizinische Dienst eingeschaltet und fühlt sich der Arbeitnehmer zu Unrecht des Blaumachens verdächtigt, hat er noch die Möglichkeit, in Widerspruch zu gehen. „Wir hatten diesbezüglich allerdings noch nie einen Fall“, so die Adexa-Rechtsexpertin. Durch die Tatsache,dass viele Arbeitbeber bereits ab dem ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest von ihren Mitarbeitern fordern, bestehe eine „gewisse Kontrolle“. Insgesamt, so Hansen, sei Blaumachen im Apothekenbereich kein großes Problem.

Anders offensichtlich in Studentenkreisen. Die Stuttgarter Studenten, die sich im Mai während einer wichtigen Prüfung krankschreiben ließen, nannten ihren behandelnden Arzt fröhlich „Doc Holiday“. Doch Doc Holiday hat jetzt massive Probleme. Der Mediziner wird verdächtigt, falsche Atteste ausgestellt zu haben. In der vergangenen Woche durchsuchten Beamte die Praxisräume.

 

Den Mitarbeitern der Universität Stuttgart waren die massenhaften Atteste merkwürdig vorgekommen. Die Studenten hatten die Klausur im Fach Finanzwissenschaften nach und nach abgebrochen. Anschließend legten sie Atteste vor, die alle dieselbe Diagnose beinhalteten: Kopfschmerzen in Kombination mit Sehstörungen oder Übelkeit und Erbrechen.

Die Uni forderte von den Studenten Stellungnahmen und erkannte kurzerhand die Mehrheit der Prüfungsrücktritte nicht an. Mit weitreichenden Folgen. Für drei Studenten ist damit das Studium beendet, sie wurden exmatrikuliert. Für sie war es der dritte und letzte Prüfungsversuch gewesen. Bei 33 wurde die Prüfung als „nicht bestanden“ gewertet. Die Studenten hatten sich durch die Aktion wohl erhofft, ein erneutes Mal antreten zu können, wie sich hinterher herausstellte, vergeblich.

Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte ein Uni-Sprecher, dass man nicht plane, den Arzt juristisch zu belangen. Die FAZ schreibt: „Aus Sicht der Ärzteschaft muss der Fall allerdings aufgearbeitet werden. Die Universität müsse die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg anrufen, damit sich deren Rechtskommission des Falls annehmen kann, sagte der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft, Markus Klett.“ Die Kommission kann Sanktionen erlassen: Sie reichen von einer Rüge über Geldstrafen bis zu Verlust der Approbation.

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