Italien

Monti gibt Viagra und Diazepam frei

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Berlin -

Knapp einen Monat im Amt, knöpft sich die Regierung des neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti den Apothekenmarkt vor: Laut einem neuen Sparpaket sollen nicht erstattungsfähige, verschreibungspflichtige Arzneimittel fortan auch in OTC-Shops und großen Einkaufszentren verkauft werden können. Auch die Bedarfsplanung wird gelockert. Die Apotheker protestieren und fühlen sich hintergangen.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen alle Arzneimittel aus der sogenannten „Fascia-C“ aus der Apothekenpflicht entlassen werden: Dabei handelt es sich um Präparate zur Behandlung von „Krankheiten leichten Ausmaßes“, die nicht von den regionalen Gesundheitsdiensten erstattet werden. In der Liste sind etwa 3700 Präparate enthalten, darunter nicht nur Aciclovir und Lidocain, sondern auch Kontrazeptiva, Psychopharmaka wie Diazepam und Lorazepam, Sildenafil.

Für die Apotheker besonders bitter: Seit der OTC-Markt 2006 liberalisiert wurde, ist für die sogenannten Parafarmacie die Anwesenheit eines Apothekers Pflicht. Was zunächst als Hemmschwelle hatte gelten sollen, entpuppte sich als Bumerang: Mit Verweis auf die ohnehin vorhandenen pharmazeutischen Mitarbeiter lobbyieren die Betreiber seit längerem für eine Ausweitung ihre Geschäfts.

„Wir wollen diesen Markt für die Konkurrenz öffnen, um mehr Wachstum und geringere Preise für die Verbraucher zu schaffen“, sagte Italiens Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Corrado Passera, gestern bei der Vorstellung des Sparpaketes. Nur kleine Supermärkte sollen weiterhin keine Apotheker beschäftigen und damit Präparate aus der Liste-C dürfen – angeblich aus Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Situation der Apotheken.

Laut Passera haben Produkte der „Fascia C“ einen geringen Anteil am Gesamtumsatz der Apotheken. Das ist relativ: Pro Jahr setzen die 17.500 italienischen Apotheken mehr als drei Milliarden Euro mit Präparaten der „Fascia C“ um. In Italien werden nur lebenswichtige Medikamente erstattet; für bestimmte Arzneimittel gelten Indikationsvorgaben, außerhalb derer die Patienten selber zahlen müssen.

 

Mit dem Sparpaket will die Regierung auch Neugründungen von Apotheken erleichtern: Dazu soll die demografische Quote von derzeit 5000 Einwohnern pro Apotheke und Planungsbezirk auf 4000 abgesenkt werden.

„Das ist nicht nur ein Opfer, das die Apotheken erbringen müssen, sondern das Ende des Systems der pharmazeutischen Dienstleistungen in Italien“, heißt es in einer Pressemitteilung des Apothekerverbandes. „In keinem anderen Land der Welt sind Hormonpräparate oder Psychopharmaka jemals liberalisiert worden.“ Die Regierung habe die Maßnahmen zudem ohne eine einzige Auseinandersetzung mit den Apothekern beschlossen. „Wir werden es nicht zulassen, dass man einen Apothekensektor zerstört, für den ganz Europa uns beneidet“, so der Verband.

Neben den Maßnahmen im Apothekenmarkt sieht Montis Gesellenstück auch eine Erhöhung der Einkommens- und Mehrwertsteuer vor. Außerdem soll das Renteneintrittsalter für Männer und Frauen zwischen 66 und 70 flexibilisiert werden. Weiterhin soll es eine neue Steuer auf Luxusgüter, Dienstwagen und private Hubschrauber und Flugzeuge geben. Noch heute soll das Paket im Parlament und Senat verabschiedet werden.

 

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