Österreich

Apotheken-Streit: Richterin inspiziert Notdienstklingel

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Berlin -

Der Streit um die Stifts-Apotheke im österreichischen St. Lambrecht ist in die nächste Runde gegangen. Richterin Verena Mitchell verschaffte sich am Ort des Geschehens persönlich einen Eindruck von der Situation.

Das Benediktinerkloster St. Lambrecht als Vermieter der Apothekenräumlichkeiten hatte gegen Apothekeninhaber Dieter Gall geklagt. Dabei geht es um ein kleines Schild und eine Klingel neben dem Eingang für gehbehinderte Menschen. Beides dient der Barrierefreiheit und wird in der Apothekenbetriebsordnung vorgeschrieben. Mitchell sah sich beides gestern selbst an. Gall und sein Rechtsanwalt, Vertreter des Klosters und Apothekenmitarbeiter waren ebenfalls vor Ort.

Der Stift stört sich an dem etwa 20 Zentimeter großen Schild und der Klingel, die an der Klostermauer angebracht sind. Die Vermieter drängen auf eine Entfernung. Doch Gall könnte die Konzession verlieren, wenn er den Forderungen nachkommt. „Das will ich nicht aufs Spiel setzen.“

Der Inhaber sieht sich zwischen den Fronten: „Ich bekomme von drei Seiten Auflagen: von der Denkmalschutzbehörde, der Apothekenaufsichtsbehörde Murau und von meinem Vermieter“, sagt er. Alle Parteien stellten unterschiedliche Bedingungen, die sich teils gegenseitig ausschließen würden, berichtet Gall.

Einen Tag vor der Ortsbegehung legte das Stift ein Schreiben vor, das beweisen soll, dass zwischen Kloster und Apotheke ein Pachtvertrag besteht – und kein Mietvertrag. Das sei ein „juristischer Schachzug“, erklärt Gall. Denn das Mietrechtsgesetz würde in dem Fall nicht zur Anwendung kommen: „Als Pächter dürften wir selbst kleine bauliche Veränderungen nur mit Erlaubnis des Stifts durchführen.“

Dass es sich um einen Pachtvertrag handele, sei aber zweifelhaft. Denn dieser hätte von der Österreichischen Apothekerkammer abgesegnet werden müssen. Als 1980 der Vertrag zwischen Apotheke und Kloster geschlossen wurde, ging bei der Kammer jedoch kein entsprechender Antrag ein. „Und ob es sich bei der Tafel und der Glocke überhaupt um bauliche Maßnahmen handelt, hat die Richterin auch bezweifelt“, so Gall. Ihren Beschluss wolle sie in den kommenden Wochen den Streitparteien mitteilen.

Schon seit etwa fünf Jahren liegt das Stift mit Gall im Clinch. Dabei geht es um weit mehr als nur das Schild und die Klingel: Ende 2015 kündigte das Kloster den Mietvertrag mit der Apotheke. Gall akzeptierte das allerdings nicht, denn der Vermieter habe im Vertrag explizit auf ein Kündigungsrecht außer aus wichtigen Gründen verzichtet. „Sie versuchen nun, die Tafel und Glocke als wichtigen Kündigungsgrund darzustellen“, sagt Gall.

Das Kloster hatte ihm die Januarmiete zurück überwiesen. Gall hinterlegt die Miete daher momentan bei einem Gericht. Bisher habe das Kloster auf eine Räumungsklage oder andere rechtliche Schritte verzichtet.

Warum sich die Vermieter so verhalten, kann sich Gall nicht erklären. „Es ist eigentlich ein ziemlich lächerlicher Streit“, sagt er. Auch Kunden und Fritz Sperl, Bürgermeistern von St. Lambrecht, rätseln. Gall hat bereits über einen Umzug nachgedacht. Doch es sei schwer, in dem kleinen Ort vergleichbare Räumlichkeiten zu finden: Derzeit verfügt die Stifts-Apotheke über 360 Quadratmeter.

Die Stifts-Apotheke existiert schon seit mehr als 350 Jahren, lange Zeit wurde sie vom Kloster geführt. Seit etwa 100 Jahren wird sie an einen Apotheker vermietet. Gall leitet die Apotheke seit 1993. Ihm gehört außerdem Gall Pharma in Judenburg; das Unternehmen stellt Nahrungsergänzungsmittel her.

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