Zwischenhandel

Graumarkt: 40 Prozent auf Kontingentware

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Berlin -

Die Stimmung in der Apotheke ist geladen: Das Arzneimittel des Kunden ist derzeit im Markt nicht zu bekommen und er muss umgestellt werden. Das bedeutet Stress am HV-Tisch. Und später am Schreibtisch muss sich der Apotheker erneut ärgern, wenn er die Rabattausschlussliste seines Großhändlers für bestimmte Kontingentartikel sieht. In solchen Fällen kommen Anfragen von sogenannten Zwischenhändlern zum Ankauf der ohnehin knappen Arzneimittel nicht besonders gut an – auch wenn oder gerade weil sie lustig gemeint sind. Der Fall des rheinischen Eichhörnchens.

Als Folge der Preispolitik bei Arzneimitteln lohnt es sich für Groß- und Zwischenhändler heute bei zahlreichen Produkten, diese zu exportieren und im Ausland zu einem höheren Preis zu verkaufen. Während der Warenstrom in der Vergangenheit fast ausschließlich in Richtung der Bundesrepublik floss, gilt das heute nicht mehr. Vom gesunkenen Preisniveau profitieren die Kassen und ihre Versicherten, die Verfügbarkeit kann jedoch leiden.

Die Handelsstufen bezichtigen sich gegenseitig als Verursacher der Knappheit. Den Herstellern wird vorgeworfen, ihre Arzneimittel bevorzugt in andere Märkte mit höheren Preisen zu drücken. Die Industrie beteuert dagegen, genug Ware an den deutschen Markt zu liefern. Stattdessen würden Großhändler und sogar Apotheken die Arzneimittel ins Ausland verkaufen. Vor allem die europäisch oder global aufgestellten Pharmahandelskonzerne sollen demnach groß im Geschäft sein.

In den Apotheken versuchen regelmäßig sogenannte Zwischenhändler, Ware abzugreifen. Aktuell ist etwa die Firma Avenar mit Angeboten im Markt unterwegs: 20 Pharmazentralnummern (PZN) werden mit zum Teil erheblichen Aufschlägen aufgekauft. Gefragt sind unter anderem Dosieraerosole Viani (Salmeterol) und Flutide (Fluticasonpropionat) von AstraZeneca, Pulmicort (Budesonid) von AstraZeneca oder Ventolair (Beclometason) von Teva. Auf der Liste stehen aber auch Forxiga (Dapagliflozin) von AstraZeneca, Vesikur (Solifenacin) von Astellas oder Torasemid von AbZ.

Apotheker werden von Avenar mit Aufschlägen in Versuchung geführt: So bietet die Firma aus Leichlingen auf Pulmicort Turbohaler einen Einkaufspreis von 50,74 Euro. Zum Vergleich: Die Apotheken kaufen das Dosier-Aerosol für 39,03 Euro ein. Bei Vesikur gewährt Avenar auf sechs Packungsgrößen sogar durchgängig einen Aufschlag von 40 Prozent auf den AEK.

Die Bedingungen von Avenar: Die Apotheke muss über eine Großhandelserlaubnis verfügen, die Ware mindestens noch 18 Monate haltbar sein (08/2018). Vorab- oder Teillieferungen sind ab 300 Euro Rechnungswert willkommen, gefragt sind ohnehin größere Mengen zwischen 50 und 300 Packungen. Wenn die Apotheke per Telefon oder Fax Bescheid sagt, dass die Ware abholbereit ist, kommt Avenar laut Angebot „innerhalb weniger Stunden“ vorbei.

Worüber sich ein Apotheker, der das Angebot erhalten hat, besonders ärgert, ist die Aufmachung: „Alaaf, Helau, Ahoi, Narri-Narro und alleh hopp! Die zweite Februar-Bestellung der rheinischen Eichhörnchen erreicht Sie mitten in der Karnevalszeit!“, heißt es. Das Sammeln habe im Rheinland gerade zu Karneval schließlich eine besondere Tradition: „Neben Medikamenten sammeln wir in der bunten, närrischen Zeit auch Bützje, Strüßje und Kamelle“, heißt es. Und wie im Karneval sei auch beim Angebot an Aschermittwoch alles vorbei – Einsendeschluss.

„Ich finde das ein große Geschmacklosigkeit“, empört sich der Apotheker. „Mit Alaaf und Helau wird versucht, dem deutschen Markt Arzneimittel zu entziehen. Das ist eine ernste Sache, damit werden Patienten geschädigt“, so der Pharmazeut. Das Angebot möge legal sein, moralisch findet er diesen Handel aber nicht in Ordnung.

Nun weiß auch der Apotheker, dass Avenar nur die Spitze des Eisbergs ist. Der Zwischenhändler mit dem ehemaligen CC Pharma-Geschäftsführer Ralf Kurenbach an der Spitze ist ein sehr kleines Unternehmen, 2015 war der Umsatz gerade einmal knapp sechsstellig. Nach Kurenbachs Angaben arbeitet Avenar monatlich nur mit fünf bis zehn Großhandelsapotheken zusammen. „Den größten Teil der von uns gehandelten Ware liefert der vollsortierte Großhandel“, so Kurenbach. Das Exportgeschäft sei schwankend, habe derzeit einen Anteil von rund 40 Prozent.

Der Apotheker ärgert sich auch deshalb, weil einige der angefragten Produkte auch auf den einschlägigen Kontingentlisten der Großhändler stehen. Bei den vereinbarten Konditionen werden diese häufig von den Rabatten ausgeschlossen. „Die Großhändler verdienen am Export, das bestätigt mir jeder Hersteller. Und dann geben sie bei den Resten für den deutschen Markt noch nicht einmal den vereinbarten Rabatt“, beklagt der Apotheker. An aktuellen Angeboten wie dem von Avenar könne man gut sehen, was die Großhändler im Ausland mit der Ware verdienen könnten. „Da ist die Versuchung bestimmt groß“, so der Apotheker.

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