Verwechslung mit tödlichem Ausgang

Steckbrief: Methadon Alexandra Negt, 28.08.2020 13:31 Uhr

Methadon kommt in der Apotheke zumeist im Rahmen der Substitutionstherapie vor. Im Krankenhaus wird die Substanz auch bei starken Schmerzzuständen verabreicht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Vor wenigen Tagen ist ein 26-jähriger Patient im Klinikum Bielefeld Mitte an einer Medikamentenverwechslung gestorben. Aktuell gehen die Mediziner davon aus, dass er fälschlicherweise Methadon erhalten hat. In der Apotheke kommt der Arzneistoff zumeist im Rahmen der Substitutionstherapie vor. Im Krankenhaus wird das vollsynthetisch hergestellte Opiod auch zur Behandlung von starken Schmerzzuständen eingesetzt – meist in Tablettenform. Aufgrund der Nebenwirkungen gilt der Stoff nicht als Mittel der Wahl; andere Opiod-Analgetika wie Morphin oder Oxycodon werden bevorzugt zur Behandlung von Schmerzzuständen verabreicht.

Wie genau es zu der Verwechslung kommen konnte, ist noch unklar. Bislang ermittle man wegen fahrlässiger Tötung, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Diese Ermittlung richte sich zunächst gegen Unbekannt, da man noch nicht wisse, wer für die Verwechslung verantwortlich sei. Der Patient zeigte kurze Zeit nach der Einnahme starke Nebenwirkungen, sodass man ihn zunächst auf die Intensivstation des Klinikums verlegte. Aufgrund seines kritischen Zustandes folgte eine weitere Verlegung in die Neurologische Fachabteilung.

Opiod zur Substitution

Methadon ist ein vollständig synthetisch hergestelltes Opiod. Als Vollagonist am μ-Opioidrezeptor besitzt der Stoff eine starke analgetische Wirkung. Methadon ähnelt in seinem Nebenwirkungsprofil anderen gängigen Opioden. Innerhalb der Substitutionstherapie findet es Anwendung, da es – anders als Heroin – keinen „Kick“ auslöst. Durch das langsamere Anfluten im ZNS wird kein Morphinrausch ausgelöst. Dennoch kommt es, auch aufgrund der längeren Wirkung, zu einer Verhinderung der Entzugssymptomatik. Ein Großteil aller Patienten erhält zur Substitution das vollsynthetisch hergestellte Opioid. Levomethadon – der wirksame Anteil des racemischen Methadons – ist hierbei ungefähr doppelt so wirksam. Die benötigte Dosis legt immer der behandelnde Arzt fest. Hierbei gilt es zu beachten, dass eine geringe Initialdosis gewählt wird, denn man kann die Patienten in zwei Gruppen aufteilen: „Fast Metabolizer“ und „Poor Metabolizer“. Der Abbau der Morphine verläuft also unterschiedlich schnell.

Behandlung von neuropathischen Schmerzen

Methadon wird, im Gegensatz zum S-Enantiomer Levomethadon, immer häufiger bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt. Die antagonistische Wirkung des Opiods am NDMA-Rezeptor spielt hierbei eine große Rolle. Aufgrund dieses Mechanismus kommt es zu einer geringeren Toleranzbildung. Bei Levomethadon ist die NDMA-antagonistische Wirkung nur im geringen Maße vorhanden. Innerhalb der Indikation Schmerz soll Levomethadon nur bei schwersten Schmerzen eingesetzt werden, die mit besser verträglichen Analgetika nicht beherrscht werden können.

Normdosen und Intoxikationen

Die Dosierung innerhalb der Substitutionstherapie ist individuell. Bei den Tabletten sind Präparate mit 5, 10, 20 und 40 mg Methadon am Markt. Bei einer Neueinstellung soll eine maximale Tagesdosis von 20 mg nicht überschritten werden. Je nach Opiattoleranzschwelle kann in Extremfällen eine schrittweise Aufdosierung auf 100 mg täglich erfolgen. Eine Dosis von mehr als 100 mg Methadonhydrochlorid darf nur im begründeten Einzelfall eingenommen werden. Parallel wird die Bestimmung von Methadon-Plasmaspiegeln empfohlen. Bei einer zu hohen Einnahme des Opiods oder unsachgemäßen Anwendung (Injektion) kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen.

Symptome einer Methadon-Vergiftung

  • Dyspnoe bis hin zum Atemstillstand
  • Miosis (verengte Pupillen)
  • Blutdruckabfall sowie langsamer und flacher Puls
  • Zyanose (bläuliche Haut und Schleimhäute)
  • Bewusstlosigkeit

Behandelt wird eine Methadon-Vergiftung mit den Antidoten Naloxon oder Naltrexon. Die Stoffe werden beispielsweise auch bei schmerzmittelinduzierten Atemdepressionen nach größeren Operationen verabreicht. Naloxon ist dem Morphin sehr ähnlich und kann daher ebenfalls an Opioid-Rezeptoren binden. Das eigentliche Opiod hat somit keine Andockstelle mehr – die Wirkung entfällt. Die Blockade der Rezeptoren ist kompetitiv – eine ausreichend große Opiod-Menge kann den Wirkstoff von den Rezeptoren verdrängen. Um eine Intoxikation mit Methadon sicher behandeln zu können, muss also genügend Naloxon relativ zeitnah verabreicht werden.

BtM-Status

Methadon unterliegt der BtM-Pflicht und kann in der Apotheke innerhalb der Indikationsgebiete „Schmerz“ und „Substitutionstherapie“ abgegeben werden. Sowohl die Fertigarzneimittel als auch die Ausgangssubstanzen und Rezepturen mit Methadon und Levomethadon werden innerhalb der Apotheke unter Verschluss gelagert.

Wird es im Rahmen einer Schmerztherapie verordnet, gelten die Regeln für eine normale BtM-Verschreibung. Liegt jedoch eine Verordnung im Rahmen einer Substitutionstherapie vor, muss eine eindeutige Dosierung dokumentiert sein, da der Patient das Präparat häufig unter Aufsicht einnehmen muss. Take-Home-Verordnungen sind unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls möglich. Eine Einnahme der Substitutionsmittel außerhalb des Sichtbezugs ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Substitutionspatienten regelmäßige Arztkonsultationen wahrnehmen – das bedeutet, sie werden einmal pro Woche vorstellig. Voraussetzung ist außerdem die abgeschlossene Einstellungsphase. Ebenso muss ein Beikonsum von Drogen ausgeschlossen werden.

Umgang im Krankenhaus

Im Krankenhaus gelten für Betäubungsmittel ähnlich strenge Regeln wie in der Apotheke. Die betroffenen Substanzen werden auch in der Klinik unter Verschluss gelagert. Wer ein Arzneimittel entnimmt, muss dies dokumentieren. Innerhalb der Dokumentation wird unter normalen Umständen auch der Patientenname notiert, der das Arzneimittel erhalten soll. Betäubungsmittel werden gesondert ausgegeben und nicht in Tagesblister ausgeteilt. So erfolgt die Ausgabe von Methadon & Co. getrennt von der restlichen Medikation. Um die maximale Patientensicherheit zu gewährleisten, werden orale Darreichungsformen unter Aufsicht eingenommen. Im sogenannten Schüler-Status dürfen keine BtM verteilt werden – die Vergabe erfolgt ausschließlich durch examinierte Kräfte.