APOTHEKE ADHOC Umfrage

Gefährlich nah an „Apotheke light“ APOTHEKE ADHOC, 12.01.2016 08:04 Uhr

Berlin - 

Die Versorgung von ländlichen Gebieten ist immer ein Kompromiss zwischen Qualität und Flächendeckung. Zweigapotheken sind ein Zugeständnis. Damit die Versorgung auch in Regionen gesichert ist, in denen sich eine Vollapotheke nicht lohnt, gibt es für sie Erleichterungen bei Ausstattung und Personal. Und wie üblich bei Kompromissen, sind sie nicht unumstritten, wie eine Umfrage von APOTHEKE ADHOC zeigt.

Überzeugt von dem Konzept sind 20 Prozent der Teilnehmer. Sie sehen Zweigapotheken als „gute Lösung für umsatzschwache Regionen“. Weitere 21 Prozent haben nichts gegen sie – Zweigapotheken seien immerhin „besser als Apothekenbusse“.

Eher kritisch sehen insgesamt 45 Prozent der Teilnehmer Zweigapotheken: 6 Prozent finden die Ausnahme schwierig, da die Qualität auf der Strecke bleibe. Eine Mehrheit von 39 Prozent hält das Konzept sogar für riskant. Für sie sind Zweigapotheken zu nah an „Apotheke light“.

Immerhin 14 Prozent halten die Aufrechterhaltung der Versorgung mit Zweigapotheken schlichtweg für übertrieben. Aus ihrer Sicht sterben manche Regionen aus. An der Umfrage nahmen am 5. und 6. Januar 2016 insgesamt 171 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.

In Deutschland gibt es derzeit zehn Zweigapotheken, vor allem in Flächenländern wie Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die zuständigen Behörden dürfen einem Apothekenleiter den Betrieb einer Zweigapotheke erlauben, wenn ein Notstand in der Arzneimittelversorgung eintritt. Eine Zweigapotheke muss laut ApoG mindestens aus einer Offizin, ausreichendem Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen. Eine Mindestgröße ist nicht vorgegeben, auch ein Labor ist nicht Pflicht.

Ein Apotheker darf maximal eine Zweigapotheke führen. Die Erlaubnis für deren Betrieb erhält er von der zuständigen Behörde für fünf Jahre – danach muss er sie neu beantragen. Im Laufe des Genehmigungsverfahrens wird auch die jeweilige Apothekerkammer hinzugezogen, die die Notwendigkeit der Zweigapotheke begründet.

In der Altmark betreibt Stephan Schwieterka eine der letzten Zweig-Apotheken: die Einhorn-Apotheke in Goldbeck. Für den Apothekenleiter bieten sich mehrere Vorteile: „In der Einhorn-Apotheke brauche ich kein Labor vorzuhalten, Identitätsprüfungen werden in der Hauptapotheke durchgeführt“, erklärt er.

Außerdem spart er beim Mitgliedsbeitrag für den Apothekerverband, da dieser nicht für zwei einzelne Apotheken erhoben wird, sondern für den summierten Umsatz. Da Schwieterka zwar zwei Apotheken besitzt, aber keinen Filialverbund führt, kann er sich weiterhin von einem Pharmazieingenieur vertreten lassen.

Die einzige saisonale Zweigapotheke Deutschlands befindet sich auf Baltrum. Seit Januar gehört die Insel-Apotheke Silke Hellberg, Inhaberin der Apotheke Dornum auf dem Festland. Der Vorbesitzer, Dr. Ulrich Räth, hatte Mitte des Jahres angekündigt, die Apotheke auf der Nordseeinsel 2016 nicht weiterzuführen. Nach monatelanger Suche fand er in Hellberg eine Nachfolgerin.

Räth durfte nicht nur auf eine Rezeptur und ein Labor verzichten – im Winter, außerhalb der Urlaubssaison, wird die Apotheke als Rezeptsammelstelle betrieben. Sie ist dann täglich von 11.30 bis 12 Uhr geöffnet. Patienten können dort Medikamentenbestellungen abgeben, die per Fax auf dem Festland geordert werden und meist schon am nächsten Tag abholbereit sind. Auch Hellberg will die Insel-Apotheke als saisonale Zweigapotheke betreiben.

Besteht ein Notstand und findet sich innerhalb von sechs Monaten niemand, der eine Apotheke oder Zweigapotheke eröffnen möchte, dürfen Gemeinden ausnahmsweise eine Notapotheke betreiben. Geleitet wird diese von einem angestellten Apotheker. Die Gemeinden brauchen dafür die Genehmigung der zuständigen Behörde. Die Regelung ist bislang aber theoretischer Natur: In ganz Deutschland gibt es keine Notapotheke.