PTA-Ausbildung

„Zweieinhalb Jahre sind vollkommen ausreichend“

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Berlin -

Die PTA-Ausbildung wird derzeit heftig diskutiert: Der Bundesverband PTA (BVpta) fordert mehr Kompetenzen für den Beruf und in diesem Zug eine dreijährige Ausbildung. Dabei sollen auch neue Inhalte aufgenommen werden, etwa in Sachen Kommunikation. Dass das nötig ist, zeigt eine aktuelle Umfrage: Viele junge PTA erleben mehrmals die Woche Gesprächssituationen am HV-Tisch, die überfordern. Dr. Gudrun Schulte Herbrüggen leitet die PTA-Fachschule Niederrhein in Duisburg – aus ihrer Sicht sollten eine zweieinhalbjährige Ausbildung und mehr Praxis miteinander verbunden werden.

ADHOC: Wird das Beratungsgespräch im Unterricht vernachlässigt?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Das Thema Kommunikation bleibt in der Schule theoretisch. Wir trainieren zwar Beratungsgespräche, sogar auf Englisch, aber bei den Schülern dominiert das Gefühl, dass man das ja erst später braucht. Also konzentrieren sich die Schüler auf die Examina und den Stoff, der dort abgefragt wird. Erst wenn sie dann in der Apotheke stehen, merken sie, was eigentlich noch alles zum Beruf gehört. Das halbe Jahr in der Apotheke dient allerdings auch noch der Ausbildung. Es ist die Aufgabe des Apothekers, seiner angehenden PTA dabei zu helfen die Kommunikationsfähigkeit aufzubauen. Trotzdem reicht es nicht. Das merken wir jedes Mal, wenn wir nach der Abschlussprüfung fragen, welchen Bedarf die Schüler sehen.

ADHOC: Was können die Schulen tun?
SCHULTE HERBRÜGGEN: In diesem Jahr haben wir ein Experiment gestartet: Die Schüler, die im September ihr Apothekenpraktikum begonnen haben, sind in den Herbstferien noch einmal zu uns gekommen und haben ein Kommunikationstraining absolviert. Alle Apothekenleiter haben ihnen dafür freigegeben – sie haben die Notwendigkeit erkannt.

ADHOC: Was macht dieses Training so besonders?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Wir haben zwei Frauen eingeladen, die sonst als Pseudo Customer unterwegs sind. Auf diese Weise konnten Gesprächssituationen intensiv trainiert werden. Die Schüler fanden das fantastisch: Sie konnten nicht nur das Beratungsgespräch an sich üben, sondern auch die Inhalte auffrischen. Sie wünschten sich noch mehr solcher Trainings, denn zum Beispiel den Umgang mit dem Problemkunden konnten wir in dem Seminar noch nicht einmal erfassen.

ADHOC: Warum ist das Interesse so viel größer, sobald die Schüler raus sind?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Anders als zur Schulzeit haben die angehenden PTA zu diesem Zeitpunkt schon die ersten frustrierenden Beratungsgespräche hinter sich. Die Notwendigkeit eines Kommunikationstrainings können sie daher viel besser erkennen, weil sie den Kopf frei haben von den Prüfungen.

ADHOC: Wird es eine Wiederholung der Aktion geben?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Man könnte schon überlegen, so etwas noch einmal zu machen – allerdings stellt sich da die Frage der Finanzierung. Das erste Seminar wurde von unserem Förderverein gesponsert. Aber eine Dauerlösung ist das nicht.

ADHOC: Der Bundesverband PTA fordert eine Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre, um beispielsweise auch die Kommunikation besser abzudecken. Was halten Sie davon?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust, denn ich kann beiden Varianten etwas Positives abgewinnen. Mit der zweieinhalbjährigen Ausbildung bin ich durchaus zufrieden, denn die Kürze hat auch Vorteile: Zum einen entstehen den Schülern geringere Kosten, zum anderen erreicht man ein breiteres Bewerberklientel – auch Schüler, die die Ausbildung als Sprungbrett nutzen und anschließend studieren wollen, oder Ältere, wie alleinerziehende Mütter oder Studienabbrecher, die noch eine Ausbildung machen möchten. Ein halbes Jahr ist für junge Absolventen mit mittlerem Schulabschluss relativ egal, für Ältere macht es aber viel aus.

ADHOC: Aber?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Wenn die Ausbildung vom Gesundheits- an das Schulministerium verlagert und somit für die Schüler kostenfrei werden würde, dann würde ich im Gegenzug auch eine dreijährige Ausbildung akzeptieren.

ADHOC: Das klingt nicht sehr überzeugt.
SCHULTE HERBRÜGGEN: Ich bin für die zweieinhalbjährige Ausbildung. Aber auch die dreijährige bietet Vorteile: Abgesehen von den Ausbildungskosten, die wegfallen würden, finde ich es toll, dass das die Möglichkeit eröffnen würde, den Schülern das Fachabitur oder sogar das Abitur anbieten zu können. Wie gesagt: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust.

ADHOC: Sind zweieinhalb Jahre nicht zu wenig Zeit für den Stoff, der vermittelt werden muss?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Was die Inhalte betrifft, sind zweieinhalb Jahre vollkommen ausreichend. Es ist eine sehr intensive Ausbildung – aber machbar. Man muss halt gut schauen, wie man die Inhalte verteilt und miteinander verknüpft.

ADHOC: Ist denn überhaupt noch jeder Lernstoff zeitgemäß?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Im Bereich der Chemie-Praxis könnte Stoff gekürzt werden, genauso im praktischen Teil der Botanik und Drogenkunde. Im Gegenzug könnten die physikalischen Untersuchungen ausgebaut werden, um auf Identitätsprüfungen vorzubereiten. Sinnvoll wäre auch mehr Praxis in den Apotheken. Wir haben eine Umfrage unter den Schülern gemacht und dabei wurde deutlich: Sie würden sich wünschen, mehr Zeit in der Apotheke zu verbringen.

ADHOC: Wie kann die Praxis mit dem Schulalltag verknüpft werden?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Eine duale Ausbildung wie die PKA-Ausbildung ist für PTA keine Option, schon aus rechtlichen Gründen kann ein Assistenzberuf nicht in einer solchen Ausbildung erlernt werden. Das Münsteraner Modell halte ich vom pädagogischen Aufbau für sehr gut. Dabei ist angedacht, dass das Apothekenpraktikum nicht am Ende steht, sondern praktische und theoretische Ausbildung über zweieinhalb Jahre miteinander verwoben werden.

ADHOC: An der PTA-Fachschule Niederrhein gibt es ein Modell, bei dem Apotheker Schüler vier Stunden pro Woche beschäftigen.
SCHULTE HERBRÜGGEN: Bei uns gibt es die „ausbildungsbegleitende Arbeitsstelle“. Apotheken aus der Umgebung bieten Schülern einen Arbeitsplatz an und finanzieren ihnen die Ausbildung, manchmal auch noch etwas mehr. Das sind individuelle Vereinbarungen zwischen Schülern und Apotheken.

ADHOC: Ist das sinnvoll oder lenkt die Zusatzarbeit von der Ausbildung ab?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Viele Schüler arbeiten nebenher. Dann ist es besser, sie arbeiten in einer Apotheke als nachts an der Tankstelle. Außerdem habe ich schon das Gefühl, dass der Stoff denjenigen Schülern leichter fällt, die nebenbei bereits Erfahrungen in Apotheken sammeln.

ADHOC: Wie wichtig ist denn die Kostenfrage?
SCHULTE HERBRÜGGEN: Die Schulgelder sind sehr abschreckend. Zurzeit sind wir noch gut besetzt, auf 80 Plätze kamen 250 Bewerber. Und da können wir uns glücklich schätzen. Aber die Bewerberzahlen werden zurückgehen, in allen Bereichen. Durch das Schulgeld wird die PTA-Ausbildung im Vergleich noch unattraktiver. Es ist eine sehr kompakte inhaltsreiche Ausbildung – hat aber Konkurrenz durch duale Studiengänge und andere Ausbildungen.

Schulte Herbrüggen studierte Pharmazie und promovierte in Düsseldorf. Im Rahmen ihrer Promotion leitete sie ein Semester. Danach arbeitete sie in einer Apotheke und bereits parallel in einer PTA-Lehranstalt. Seit 26 Jahren ist Schulte Herbrüggen an der PTA-Schule tätig, die jetzt von drei Apothekerverbänden übernommen und Fachschule Niederrhein genannt wird. 1998 wurde Schulte Herbrüggen stellvertretende Leiterin, seit 2009 in leitender Position.

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