Kommentar

Tafelsilberallergie

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Berlin -

Der Verkauf von Lauer-Fischer im Sommer 2011 war die erste große Zäsur. Das apothekereigene Rechenzentrum ARZ Haan gab das Softwarehaus an die CompuGroup ab, die Apotheken-EDV ist seitdem nicht mehr in den Händen der Apotheker. Jetzt schwächen diese auch noch ihren Einfluss auf die Rezeptabrechnung. Wenn das mal kein Fehler ist.

Als die elektronische Datenvereinbarung Anfang der 1970er-Jahre Fahrt aufnahm, organisierten die Apothekerorganisationen das Geschäft selbst – auch um die Apotheker vor den Krankenkassen zu schützen. Die vereinte Standesvertretung in NRW konnte das Unternehmen im Sinne der Apotheker lenken. Ursprünglich war das noch offensichtlicher, als auch die beiden Apothekerkammern des Landes am ARZ beteiligt waren. Doch diese mussten ihre Anteile abgeben, da sie sich als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligen durften.

Als Retter in der Not war damals die Apobank eingesprungen, ebenfalls ein mehr oder weniger standeseigenes Unternehmen. Die Bank ist seitdem zu einem Drittel mit an Bord und hat einen Platz im Aufsichtsrat. Wegen des Stimmrechtsbindungsvertrags hatte die Bank aber immer die Mehrheit der Apothekerverbände gegen sich.

Jedenfalls so lange diese sich einig waren. Aber das war zuletzt immer seltener der Fall. Die beiden Verbandschefs Dr. Klaus Michels und Thomas Preis könnten als Typen kaum unterschiedlicher sein. Beste Freunde werden sie in diesem Leben nicht mehr. Bei der Neuausrichtung des ARZ nach dem Verkauf von Lauer-Fischer waren sie sich uneins. Michels monierte einen wachsenden Einfluss der Apobank, fühlte sich zunehmend isoliert und kündigte schließlich den bindenden Vertrag. Demnächst werden auch die Anteile verkauft sein.

Wenn es nur noch Streit gibt, ist es manchmal besser, sich zu trennen. Und es ist immer herausfordernd, in einer Dreierkonstellation das Gleichgewicht zu halten. In Wahrheit sollte das ARZ Haan aber ein Rechenzentrum der Apotheker sein. Nicht nur wegen der Verbände, auch die Apobank hat eigentlich einen klaren Auftrag: Laut Satzung ist der Zweck der Genossenschaft an allererster Stelle „die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder und insbesondere der Heilberufsangehörigen, ihrer Organisationen und Einrichtungen“.

Zu den Organisationen der Heilberufe zählen auch die beiden Apothekerverbände aus NRW. Daran gemessen hätte nicht der AVWL, sondern die Apobank das ARZ Haan verlassen müssen, wenn eine Zusammenarbeit wirklich nicht mehr möglich war. Doch für diese Option hat sich die Bank nicht entschieden. Mit dem Abgang des AVWL wird ihre Position beim Rechenzentrum jetzt gestärkt.

Und der AVWL? Man könnte sagen, die Apotheker in Westfalen-Lippe konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft. Aber de facto minimieren sie ihren Einfluss auf die Rezeptabrechnung. Egal wie man dies gewichtet, Einfluss zu verlieren, ist selten gut.

Wirtschaftlich ist der Abschied überdies fragwürdig. Der AVWL mag einen guten Preis ausgehandelt haben für seine Anteile, die jährlichen Ausschüttungen jedoch fallen weg. Künftige Generationen müssen von dem Verkauf des Tafelsilbers zehren, der konstante Zufluss von sechsstelligen Beträgen jährlich wird fehlen.

Das Geld aus dem ARZ steckt nur zu einem kleinen Teil im neuen AVWL-Haus. Abgesehen davon, ob Immobilien ein besseres Investment sind: Wo wäre das Geld der Apotheker besser angelegt als in einem Unternehmen in ihrem Umfeld? Auf der hohen Kante nutzt es dem AVWL derzeit gar nichts, andere Beteiligungen erscheinen nicht logischer als das ARZ.

Man kann nur hoffen, dass persönliche Animositäten keine zu große Rolle gespielt haben. Der wirtschaftliche Erfolg des ARZ Haan in den nächsten Jahren wird zeigen, ob Michels’ Entschluss als genialer Schachzug oder als fataler Fehler in den Geschichtsbücher stehen wird.

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