Innovationsfonds

Millionenförderung für Zur Rose?

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Berlin -

Nur eine Woche nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni könnte Zur Rose erneut für Schlagzeilen sorgen. Bei der ersten Ausschüttung von Fördermitteln aus dem Innovationsfonds könnte die Versandapotheke mit einem Modellprojekt zum E-Rezept dabei sein – das ihr langfristig Kunden in die Arme treiben soll.

Der Innovationsfonds war 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) eingeführt worden. Gefördert werden sollen neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen, und Projekte der Versorgungsforschung. Übergeordnetes Ziel ist eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.

Das Interesse seitens der Leistungserbringer war groß, schon vor dem Start der Bewerbungsrunde waren 700 Projektskizzen unaufgefordert eingereicht worden. Insgesamt wurden schließlich Gelder in Höhe von 880 Millionen Euro beantragt; wie viele Anträge eingegangen sind, wird nicht verraten. Am vergangenen Donnerstag fielen beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Berlin die Entscheidungen: Im Innovationsausschuss stimmten neben dem Vorsitzenden des G-BA, Josef Hecken, Vertreter der Kassen, der Ärzte und Zahnärzte, der Kliniken sowie von Bundesgesundheits- und -forschungsministerium über die Anträge ab.

Noch ist nicht bekannt, wer einen Zuschlag erhalten hat und ob jeweils die beantragten Summen oder nur bestimmte Beträge vergeben wurden. Die Vorabinformationen wurden am Dienstag mit der Post an die Antragsteller verschickt; am Mittwoch könnten die ersten Briefe eintreffen. Im Nachgang werden die Förderbescheide erstellt; erst wenn diese wirksam sind, werden die geförderten Projekte auf den Internetseiten des Innovationsausschusses öffentlich gemacht.

Mit ihrem Projekt „eRx“ hatten sich Zur Rose, der Kassendienstleister GWQ und der Deutsche Hausärzteverband (HÄV) als Konsortialführer um Fördermittel für Modellprojekte zum E-Rezept beworben. Sie sehen ihren Antrag vom Bereich der Telemedizin abgedeckt. Für Zur Rose ist die digitale Übermittlung ein wichtiger Schlüssel, um endlich im Rx-Bereich Fuß zu fassen.

Mit entsprechender Spannung war daher neben dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni die Entscheidung im Innovationsausschuss erwartet worden. „Dieser Oktober ist der verrückteste Monat in meinem Berufsleben“, sagte Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, gegenüber der NZZ am Sonntag. „Das Papierrezept ist für uns neben der veralteten Preisbindungsstruktur eine zweite relevante Hürde im deutschen Markt.“ Solange Kunden das Rezept mit der Post an die Versandhändler schicken müssten, scheine der Weg zur nächsten Apotheke deutlich weniger mühsam, die Ersparnis auf den Preis nicht hoch genug.

Zur Rose ist nicht der einzige Player aus dem Apothekenmarkt, der sich um Gelder aus dem Fonds beworben hat. Neben AMTS-Projekten gibt es mindestens ein weiteres Modellprojekt zum E-Rezept: Die bayerische Telemedallianz hat prominente Unterstützer, darunter Apothekerkammer und -verband, Ärztekammer und das bayerische Gesundheitsministerium. Die Apotheker waren nach dem ursprünglichen Entwurf des GKV-VSG gar nicht antragsbefugt. Erst später wurde nach Kritik die Begrenzung gestrichen.

Die Bewerbungsphase für die erste Förderwelle aus dem Innovationsfonds war Anfang April gestartet. Bis zum 5. Juli konnten Projekte eingereicht werden. Vier Themenfelder hatte der G-BA für die erste Runde vorgesehen: Modellprojekte zur Arzneimitteltherapie sowie Arzneimitteltherapiesicherheit, Versorgungsmodelle unter Nutzung von Telemedizin, Telematik und E-Health sowie Versorgungsmodelle für strukturschwache Gebiete und spezielle Patientengruppen, etwa Kinder oder Pflegebedürftige.

Hecken sagte, nach umfangreichen und komplexen Beratungen habe man eine sehr ausgewogene und gute Verteilung der Mittel auf immerhin alle in den Förderbekanntmachungen adressierten Themenfelder steht. „Mein ausdrücklicher Dank geht hier auch an den Expertenbeirat, der einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Drei Viertel der Entscheidungen konnten wir in Übereinstimmung treffen.“

Auch wenn Ärzte und Apotheker skeptisch sind und seit Jahren mauern: In der Politik hat das E-Rezept Unterstützung: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich für eine schnelle Einführung ausgesprochen; aus seiner Sicht könnte es nicht nur zur Entbürokratisierung, sondern auch zu einer Erhöhung der Arzneimittelsicherheit beitragen. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich sieht im E-Rezept auch eine Maßnahme gegen Retaxationen.

Über eine weitere Förderwelle wird der Innovationsausschuss nach derzeitiger Planung Anfang 2017 beschließen. Wie beim ersten Mal gibt es vier Themenschwerpunkte. In dieser Runde sind dies Versorgungsmodelle mit Delegation und Substitution von Leistungen, Modellprojekte zum Auf- und Ausbau der geriatrischen Versorgung, die Verbesserung der Kommunikation mit Patienten und die Förderung der Gesundheitskompetenz sowie Versorgungsmodelle für Menschen mit Behinderung. Ansätze für die Verbesserung der Versorgungseffizienz bei Menschen mit Migrationshintergrund sollen in alle Themenfelder einbezogen und gefördert werden. Außerdem konnten über die themenoffen gehaltene Förderbekanntmachung Anträge auf Mittel aus dem Fonds gestellt werden.

Der Innovationsausschuss setzt sich entsprechend dem G-BA zusammen: aus Vertretern des GKV-Spitzenverbands (Dr. Doris Pfeiffer, Johann-Magnus von Stackelberg, Gernot Kiefer), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Dr. Andreas Gassen), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (Dr. Wolfgang Eßer), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (Georg Baum), des Bundesgesundheitsministeriums (Lutz Stroppe, Oliver Schenk) und des Forschungsministeriums (Petra Steiner-Hoffmann), Patientenvertretern (Dr. Ilona Köster-Steinebach, Dr. Martin Danner) und Hecken.

In dem Expertenbeirat sitzen Professor Dr. Maria Blettner, Professor Dr. Marie-Luise Dierks, Professor Dr. Norbert Donner-Banzhoff, Professor Dr. Katrin Hertrampf, Professor Dr. Norbert Klusen, Professor Dr. Sascha Köpke, Dr. Michael Masanneck, Professor Dr. Holger Pfaff, Professor Dr. Rainer Richter und Professor Dr. Leonie Sundmacher.

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