Homöopathie

GroKo-Attacke auf Apothekenpflicht

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Berlin -

„Hokuspokus“ oder alternative Medizin – die Meinungen über die Homöopathie gehen in Wissenschaft wie Politik weit auseinander. Auffällig häufig wird in jüngster Zeit nicht nur die Erstattung, sondern auch die Apothekenpflicht von homöopathischen Mitteln infrage gestellt. Die Debatte hat jetzt auch die Große Koalition erreicht. Zu einer Attacke haben sich Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach zusammengetan.

Im Zentrum der Kritik stehen die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, die Apothekenpflicht für homöopathische Medikamente und die angeblich mangelnde Qualifikation von Heilpraktikern und Homöopathen. Hecken sagte jetzt gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Versicherte müssen sich verlassen können, dass die Kassen nur bezahlen, was einen Wirkungsnachweis erbracht hat.“ Er fordert „die Streichung der Homöopathie aus den Satzungsleistungen der Kassen, also den freiwilligen Leistungen“.

Hecken sieht auch „keinen Grund für die Apothekenpflicht“. Sie suggeriere, „dass es sich um Produkte mit erwiesener Wirksamkeit handelt, die einer Beratung bedürften“. Tatsächlich aber läge die medizinische Evidenz homöopathischer Produkte „auf dem Niveau von Brausetabletten und Nahrungsergänzungsmitteln“. Mit der Homöopathie auf Kundenfang zu gehen, sei nicht mit der Verantwortung der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten vereinbar, hatte Hecken bereits bei früherer Gelegenheit kritisiert. Ein Nutzennachweis für die alternative Heilmethode fehle; man solle die Kostenübernahme nicht nutzen, um neue Versicherte in die Kasse zu kriegen.

Auf Unterstützung für seine Forderungen stößt Hecken bei Gesundheitspolitikern der Großen Koalition: „Die Apothekenpflicht kann abgeschafft werden“, sagte Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der Unionsfraktion, der Stuttgarter Zeitung. Die CDU-Gesundheitspolitikerin Claudia Schmittke pflichtet ihr bei: „Wenn die Kassen einen wissenschaftlichen Nutzen nachweisen können, darf es eine Erstattung geben. Sonst nicht.“

Lauterbach sagte derselben Zeitung: „Als Arzt halte ich die Homöopathie für völlig wirkungslos. Ich wünsche den Kollegen der Union bei diesem Waffengang viel Erfolg.“ Der CDU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger schlug eine „eigene Ausbildungsverordnung für Homöopathen und Heilpraktiker“ vor.

Deutlich vorsichtiger äußerte sich zuletzt allerdings Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Homöopathie: Befragt, warum die Kassen die Kosten für Homöopathie übernehmen dürfen, antwortete Spahn: „Ich verstehe die Bedenken. Wir legen in vielen Bereichen großen Wert auf Evidenz: bei der Zulassung von Arzneimitteln, bei Medizinprodukten oder bei neuen Behandlungsmethoden. Dieser Nutzen kann bei der Homöopathie nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden.“ Trotzdem sollten aus seiner Sicht die Kassen ihren Versicherten Homöopathie als zusätzliche Satzungsleistung oder über Wahltarife anbieten können: „Grundsätzlich ist es jedem unbenommen, homöopathische Mittel zu kaufen. Es muss nur sichergestellt sein, dass sie nicht schaden.“

Kürzlich ging auch der „Spiegel“ in einer Titelgeschichte hart mit Alternativmedizin ins Gericht. Das Geschäft mit esoterischen Therapien wie Homöopathie boome. „Gutgläubige Patienten werden dabei mit falschen Hoffnungen geködert“, hieß es in einem Artikel. Auch Apotheken verdienten „kräftig“ mit. Dem Bericht zufolge gibt es rund 47.000 Heilpraktiker, die jedes Jahr etwa eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschafteten. Etwa die Hälfte davon bezahlten die Patienten selbst. Zudem gebe es 6900 Ärzte, die über eine von den Ärztekammern anerkannte Zusatzweiterbildung in Homöopathie verfügen. Und auch die Apotheken verdienten mit „an dem großen Schwindel“. Das „riesige Angebot verführt die ahnungslosen Patienten“.

Auch Medizinprofessor und Homöopathie-Gegner Edzard Ernst kam im Spiegel zu Wort: „Das Volk wird systematisch verdummt und probiert dann zweifelhafte Behandlungen aus“, sagte er. Wenn weite Teile der Bevölkerung glaubten, es gebe tatsächlich so etwas wie „die Lebensenergie Qi oder Meridiane und Chakren“, dann gebe es keine Maßstäbe mehr. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Unwahrheit würden unscharf.

Alternativmedizin könne man nicht verbieten, sagte der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Professor Dr. Jürgen Windeler, dem Spiegel. Aber es sei möglich, sie „wenigstens einzudämmen“. Lauterbach erlebte laut eigenen Aussagen „den größten Shitstorm“ seiner Karriere, als er die Abschaffung der Bezahlung homöopathischer Behandlungen durch die Krankenkassen forderte. Und: „Ich bin im kampferprobt im Umgang mit Lobbygruppen“, sagt er dem Magazin.

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