Altersvorsorge

EZB: Null trifft Versorgungswerke

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Berlin -

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins erstmals auf 0 Prozent gesenkt. Kreditnehmer können daher auf sinkende Zinssätze wetten, Sparern erschwert die EZB die Geldanlage. Betroffen davon sind auch die Versorgungswerke der Apotheker. Die Auswirkungen der Zinssenkung werden sich nach Ansicht von Experten vorerst nicht negativ aus die Anwartschaften auswirken. Doch der Vorteil gegnüber der gesetzlichen Rentenversicherung schrumpft.

„Der Zinsschritt ist keine Überraschung“, kommentiert Peter Hartmann, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke (ABV), die EZB-Entscheidung: „Das ist das lange erwartete Signal“. Auf die Anlagezinssätze werde das kurzfristig keine signifikanten Auswirkungen haben. „Die Zinssätze werden weiterhin äußert niedrig bleiben“, so Hartmann.

Leichter werde die Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten für die Versorgungswerke dadurch allerdings nicht, räumt Hartmann ein. Einen Großteil ihrer Gelder müssen die Versorgungswerke in festverzinslichen Wertpapiere anlegen. „Und der Staat finanziert sich mit seinen Anleihen ohnehin schon zum Nulltarif“, so Hartmann.

Für den ABV-Hauptgeschäftsführer ist die Zinsentscheidung der EZB vor allem das Signal, dass die „Niedrigzinsphase noch eine Zeitlang andauert“, so Hartmann. Trotzdem sieht Hartmann vorerst keine Auswirkungen auf die Rechnungszinssätze der Versorgungswerke. Diese seien in der letzten Zeit ohnehin vielfach schon gesenkt worden. Anders als bei Lebensversicherungen ist der Rechnungszinssatz ohnehin nur eine Richtgröße und kein Garantiezins.

Wer als Mitglied eines Versorgungswerkes in den nächsten Jahren in Rente gehe, müsse keine Einschnitte befürchten, verspricht Hartmann. Auf jüngere Versicherte werde sich die Niedrigzinsphase später allerdings auswirken. Keinen „Grund zur Panik“ angesichts der EZB-Entscheidung sieht auch Dr. Holger Herold, Vorsitzender der Sächsisch-Thüringischen Apothekerversorgung. Zwar sehe er den Zinsschritt längerfristig „mit Sorge“. Aber die Auswirkung auf den aktuellen Marktzins hält auch Herold für gering.

Im Vorfeld der Absenkung hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem langen Beitrag dargelegt, warum die Versorgungswerke die Niedrigzinsphase aussitzen könnten. Wegen der Pflichtmitgliedschaft müssten sie weniger liquide Mittel für Kündigungen vorhalten; außerdem gingen Wertschwankungen von Aktien nicht sofort in die Gewinn- und Verlustrechnung ein. Außerdem gebe es keine Provisionen, sodass Gewinne schon durch die Beitragsdynamik anfielen. Und schließlich gebe es dank der demokratischen Strukturen einen größeren Zusammenhalt.

Ein anderer Experte rechnet dagegen schon im 3. Quartal mit einem „medialen Stresstest“: Dann könnte die gesetzliche Rente um 5 Prozent erhöht werden, während die Versorgungswerke nicht mitziehen könnten oder den Rechnungszins sogar noch absenken müssten.

Die EZB hat den Leitzins, zu dem sich Banken kurzfristig Geld bei der EZB leihen können, von bisher 0,05 auf 0,00 Prozent gesenkt. Der Strafzins, den Banken für Einlagen bei der EZB zahlen müssen, steigt von -0,3 auf -0,4 Prozent. Mit den Maßnahmen will die EZB die Banken dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben. Dann, so die Hoffnung der Notenbanker, werde auch das Wirtschaftswachstum wieder anziehen und die Preise wieder steigen. Bisher hatten die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gezeigt.

In jüngster Zeit haben die Versorgungswerke der Apotheker unterschiedlich auf die Niedrigzinsphase reagiert. Die Versorgungswerke Niedersachsen und Berlin stehen nach eigenen Angaben trotz Niedrigzinsphase gut da und halten ihren Rechnungszins bei 4 Prozent. Laut Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz war das Versorgungswerk 2014 „ausgesprochen erfolgreich“. Der Überschuss von 22 Millionen Euro wurde als Sicherheitsreserve in die Rücklagen eingestellt.

Auch in Berlin konnte der Vorsitzende des Versorgungswerks, Dr. Manfred Zindler, bei der Kammerversammlung gute Nachrichten überbringen: Alle Anwartschaften könnten aus den laufenden Zinsgewinnen finanziert werden, sodass der Kapitalstock nicht angegriffen werden müsse. Das Versorgungswerk sei „sehr lebendig“, 2014 seien 369 Mitglieder neu hinzugekommen, so Zindler.

Die beiden Versorgungswerke gehören mit 9300 beziehungsweise knapp 6000 Mitglieder und 2200 beziehungsweise knapp 1000 Rentnern zu den größeren der berufsständischen Versorgungseinrichtungen. In Niedersachsen werden pro Jahr 70 Millionen Euro an Beitragseinnahmen und 45 Millionen Euro an Anwartschaften verwaltet, der Kapitalstock liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.

In Berlin stehen Mitgliedsbeiträgen von knapp 45 Millionen Euro Auszahlungen von 15 Millionen Euro gegenüber. Die Kapitalanlagen summieren sich auf knapp 900 Millionen Euro. 2012 hatten die beiden Versorgungswerke ihre Verwaltung zusammengelegt. Zum Versorgungswerk Niedersachsen gehören auch die Apotheker in Hamburg und Sachsen-Anhalt, in Berlin sind die Kollegen aus Brandenburg an Bord.

Auch bei der Sächsisch-Thüringischen Apothekerversorgung (STAV) konnte mit einem kleinen Kunstgriff der Rechnungszins von 4 Prozent gehalten werden. In den vergangenen Jahren hatten allerdings wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase mehrere Versorgungswerke den Rechnungszins für alle neuen Beiträge gekürzt, darunter Nordrhein, Westfalen-Lippe und Hessen. Bayern hatte auf ein offenes Deckungsplanverfahren umgestellt, um im Haushalt flexibler agieren zu können.

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