EuGH-Urteil

Petition: Aus Ärger über Beratungs-Schnorrer

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Berlin -

Im Hauptberuf kümmert sich Chris Werner um erneuerbare Energien. Zwei Tage nach dem EuGH-Urteil zur Freigabe von Rx-Boni für ausländische Versandapotheken hat er eine Petition zur Arneimittelpreisbindung beim Deutschen Bundestag eingereicht. Denn seine Lebensgefährtin arbeitet als PTA in einer Leipziger Apotheke – nicht bei ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Aber politisch bewegen wollen die beiden schon etwas.

„Wir wollen unsere demokratischen Möglichkeiten nutzen, als kleine Lichter Gehör zu finden“, begründet Werner seinen Schritt. Es ist nicht seine erste Petition. Zum Erneuerbaren Energie Gesetz (EEG) hat Werner schon einmal eine Petition eingereicht – durchaus mit Erfolg. Die Eingabe erreichte zwar nicht das erforderliche Quorum. Werners Idee für einen Energiespeicher fanden die Ausschussmitglieder aber immerhin so interessant, dass sie sich intensiv damit befasst haben.

Die Idee für die neue Petition zur Rx-Preisbindung sei beim Abendessen mit seiner Partnerin entstanden, berichtet Werner. Die PTA habe sich schon länger geärgert, dass sich immer mehr Kunden in ihrer Apotheke beraten lassen, dann aber ohne einen Kauf mit der Bemerkung „Das muss ich mir noch mal überlegen“ die Offizin wieder verlassen: „Die kaufen dann online.“

Als dann das EuGH-Urteil kam, war der Entschluss rasch gefasst. „Das Einreichen dauert nur ein paar Minuten“, erzählt Werner. Aber natürlich habe man sich den Vorschlag gut überlegt. „Es kann doch nicht sein, dass Online-Apotheken die gleichen Rechte, aber nicht die gleichen Pflichten haben“, so Werner, der selbst als Unternehmer tätig ist. Der Not- und Nachtdienst der Apotheken sei doch „kostenrelevant“.

In seiner Petition fordert Werner, der Bundestag möge beschließen, „dass nur solche Unternehmen und Apotheken im deutschen Gesundheitssystem ausgestellte Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente abrechnen dürfen, die sich an der gemeinschaftlichen Notdienstbereitschaft der lokalen Apotheken beteiligen“. Es sollte zudem vorgesehen sein, dass Apotheken und Unternehmen nur dort Rx-Medikamente abgeben dürfen, wo sie sich selbst am Notdienst beteiligen.

Werner: „Es besteht ein Fehler im System, wenn ausländische Unternehmen oder Online-Apotheken, die aufgrund geringerer Pflichten (z. B. kein Notdienst) geringere Kosten aufweisen, diejenigen Apotheken durch Wettbewerb schädigen, die Leistungen wie den 24 h-Notdienst anbieten.“

Werner will vermeiden, dass ein Versender eine einzige „Alibi“-Apotheke mit Notdienst unterhält, jedoch einen signifikanten Großteil des Umsatzes außerhalb des lokalen Gebietes generiert. Daher sollte aus seiner Sicht vorgesehen werden, dass Apotheken Rx-Medikamente nur dort oder maximal in einem Umkreis von 20 Kilometern abgeben dürfen, „wo sie sich am Notdienst und anderen Pflichten zur Sicherstellung der Versorgung beteiligen.“

Inzwischen hat die Petition 19 Zeichner. Das reicht für das Quorum bei Weitem nicht aus. Dafür sind 50.000 Zeichnungen notwendig. Auch wenn das illusorisch erscheint, ist das für Werner kein Grund zur Resignation: „Vielleicht findet ja jemand unsere Idee interessant.“

Allerdings hat sich um die Petition herum eine muntere Diskussion entwickelt: „Nutzer841067“ hält die Petition für „sehr sinnvoll“: „Ebenso wie kleine Einzelhandelsgeschäfte siechen inzwischen die Apotheken dahin, deren flächendeckende kompetente Beratung und Versorgung der Bevölkerung ebenso unverzichtbar für die Volksgesundheit ist wie die flächendeckende Versorgung mit Ärzten und Krankenhäusern“ , schreibt er im Diskussionsforum des Bundestages. Würden nun auch noch verschreibungspflichtige Medikamente ohne Beratung durch approbierte Apotheker über ausländische Online-Apotheken oder, noch verantwortungsloser, gar über irgendwelche andere Verkaufsstellen vertrieben, sei die Volksgesundheit aktiv gefährdet.

Kenntnisreich breitet „Nutzer841067“ auch von der ABDA gern und häufig genutzt Argumente aus: Die Versorgung mit Notfallmedikamenten wäre durch Wegbrechen der Apotheken und damit des Notdienstes nachts und an Feiertagen und Wochenenden nicht mehr gewährleistet. Zweitens könne dann niemand mehr die Patienten über die teilweise fatalen Folgen der Kombination bestimmter verschreibungspflichtiger Medikamente mit all ihren unerwünschten Nebenwirkungen mehr kontrollieren.

„Es ist teilweise abenteuerlich, welche Medikamente viele Ärzte verschreiben, ohne sich vorher genau erkundigt zu haben, welche Medikamente der Patient denn sonst noch nimmt, teilweise mit katastrophalen Folgen“, so der Kommentator: „Die letzte Prüfinstanz und der letzte Ratgeber ist immer der Apotheker/die Apothekerin, und viele nehmen ihre Verantwortung auch ernst und fragen von sich aus nach. Dass es solch lebensbewahrende Fachberatung nicht zum Nulltarif gibt, ist klar, ebenso wie beim Thema Ernährung, und hier wie dort schaufeln sich die Billig-will-ich-Dummköpfe ihr eigenes Grab. Also, liebe Leute, unterstützt die Apotheken, denn ohne sie geht es uns allen ein Stück schlechter.“

Aber nicht alle Diskutanten finden das gut: „Das liest sich wie frisch aus dem Phrasengenerator einer umgebauten chinesischen Glückskeksfabrik, völlig inhaltsleere Behauptungen“, kontert beispielsweise „Der_Max“.

Übrigens: Werners Petition richtet sich nicht gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln per se. Es geht dem Unternehmer um Wettbewerbsgleichheit: „Apotheken können Arzneimittel ruhig versenden. Aber sie müssen alle die gleichen Pflichten erfüllen.“

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