DAV-Wirtschaftsforum

Abkehr vom Rx-Versandverbot: Hennrich auf der Anklagebank

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Postdam -

Normalerweise sind Podiumsdiskussionen beim DAV-Wirtschaftsforum für CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich ein politisches Heimspiel. Als treuer Anhänger des Rx-Versandverbotes heimste er in den vergangenen eineinhalb Jahren stets den Beifall der Zuhörer ein. In Potsdam fand sich Hennrich plötzlich in ungewohnter Rolle wieder: auf der Anklagebank. Zu Wochenbeginn hatte er den Treueschwur der CDU zum Rx-Versandverbot zur Disposition gestellt.

„Ich habe meinen Augen nicht getraut“, antwortete der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, auf die Frage nach seiner ersten Reaktion auf Hennrichs Vorschlag, nach neuen Wegen zu suchen. Zehn Minuten nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 sei Hennrich der erste CDU-Politiker gewesen, der ein Rx-Versandverbot gefordert habe. Er habe zudem immer an die „Treue der CDU zum Koalitionsvertrag geglaubt“, so Becker.

Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), war „geschockt“ über Hennrichs Abrücken vom Rx-Versandverbot: „Ich habe nach Gründen gesucht“, so Kiefer, denn nichts geschehe ohne Grund. Bis jetzt hat Kiefer diesen nicht gefunden, denn „Hennrichs Vorschlag bietet keine Lösung.“

Er habe seinen Vorschlag bewusst zum DAV-Wirtschaftsforum platziert, rechtfertigte Hennrich seinen Vorstoß. „Wir haben uns ein Jahr lang mit dem Rx-Versandverbot vergeblich abgekämpft“, so Hennrich. Er halte ein Verbot nach wie vor rechtlich für möglich, beteuerte der CDU-Politiker. „Aber ich sehe doch, welche Konstellationen wir in der neuen Großen Koalition haben. Ich weiß, wie die Personen denken.“ Er halte die Umsetzung eines Rx-Versandverbotes nicht mehr für möglich.

„Ich habe die Sorge, dass das Thema Rx-Versandverbot weiter geschoben und geschoben wird und am Ende nichts passiert“, so Hennrich. Dann gäbe es in dieser Legislaturperiode Stillstand in der Apothekenpolitik. „Ich will Druck machen“, sagte Hennrich, jetzt müsse man in der GroKo Farbe bekennen, sagen, ob beim Rx-Versandverbot etwas gehe oder nicht: „Es geht doch nicht nur um das Rx-Versandverbot, es gibt einen Stau bei vielen Apothekenthemen.“

Vor dem DAV-Wirtschaftsforum erläuterte und verteidigte Hennrich seinen Vorschlag: Ausländische Versandapotheken, die an der Arzneimittelversorgung in Deutschland teilnehmen wollten, müssten nach Paragraf 140e Sozialgesetzbuch (SGB V) Verträge mit Krankenkassen abschließen. Weil sie nicht die volle Leistung der Vor-Ort-Apotheken anböten, soll laut Hennrich das Apothekenhonorar um 3 Euro auf 5,35 Euro pro Packung gekürzt werden. Das Geld soll in einen Fonds fließen, aus dem die Vor-Ort-Apotheken zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung bedient werden.

Hennrich verteidigte seinen Vorschlag gegen Kritik: Tue man nichts, setze sich der Run auf die Versandapotheken fort. „Mit meinem Modell gibt es keinen Anlass für die Kassen, die Patienten zu den Versendern zu treiben“, so Hennrich. Er räumte ein, dass er seinen Vorschlag juristisch noch nicht zu Ende gedacht habe. Auch habe er sich noch keine Gedanken über die Verteilung der Mittel gemacht.

Hennrich geht es in erster Linie um einen politischen Anstoß: Angesichts der „Gemengelage in Berlin“ halte er eine Umsetzung eines Rx-Versandverbotes nicht mehr für realistisch, wiederholte der CDU-Politiker mehrfach. Es gebe ein „politisches Problem“. Er wolle die Blockade beenden: „Ich will die Lösung des Problems“, sagte Hennrich.

„Bei mir sträubt sich alles gegen diesen Vorschlag“, reagierte Kiefer. Dieser bedeute keine Stärkung, sondern eine „exorbitante Schwächung“ für die Apotheken. Auch Becker warnte vor der Eröffnung der Möglichkeit zum Abschluss von Selektivverträgen zwischen Krankenkassen und Versandapotheken. Er habe in seiner Zeit als DAV-Chef noch kein wasserdichtes Gesetz gesehen, so Becker: „Ich warne davor, die Tür einen Spalt breit aufzumachen. Am Ende haben wir einen absoluten Scherbenhaufen.“

Auch von den Vertretern der Grünen und der FDP erhielt Hennrich Gegenwind. Kordula Schulz-Asche konnte Hennrichs Vorstoß immerhin politisch etwas abgewinnen: „Jetzt bin ich nicht mehr der Hauptfeind der Apotheker.“ Die Grünen-Politikerin erinnerte daran, das die CSU im Wahlkampf mit dem Rx-Versandverbotverprechen sogar Spendengelder bei den Apothekern geworben habe. Allerdings sah Schulz-Asche positiv, dass man jetzt statt über das Rx-Versandverbot über die wirklich „relevanten Apothekenthemen“ diskutieren könne.

In der Sache habe Hennrich Recht, sagte FDP-Vertreter Wieland Schinnenburg. Ein Rx-Versandverbot sei nicht machbar. Das sage die FDP seit langer Zeit. „Was nutzt uns ein Gesetz, dass wieder einkassiert wird?“ Es gebe keine Aussicht auf einen juristischen Erfolg. Er sei gekommen, um mit den Apotheker über alternative Wege zu diskutieren. „Ich möchte gerne Tipps von Ihnen hören.“ Er sei aber mit Blick auf Hennrichs Idee skeptisch, dass ein neuer Fonds in den Händen der Krankenkassen ein guter Plan sei.

Becker hat die Hoffnung trotz Hennrichs Vorstoß nicht aufgegeben. Gefragt, wie die politische Lage in einem Jahr sein werden, antwortete er: „Ich gehe davon aus, dass beim Rx-Versandverbot der Koalitionsvertrag eingehalten wurde und dass Apotheker Dienstleistungsverträge abschließen können.“ Immerhin war Becker mit beim Antrittsbesuch der ABDA-Spitze bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

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