Cannabisprodukte

THC: BfR will Grenzwerte anheben

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Berlin -

Erneut gute Nachrichten für die Cannabisindustrie: Nach CBD dürften nun auch bei THC die Zügel gelockert werden – ein klein wenig zumindest. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat empfohlen, die zulässigen THC-Grenzwerte in Nahrungsmitteln anzuheben. Bereits 2018 sei es nämlich zu dem Schluss gekommen, dass die aktuellen Werte nicht mehr dem wissenschaftlichen Stand entsprechen.

Um das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen – das BfR nennt Stimmungsschwankungen und Müdigkeit – zu vermeiden, hatte das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) im Jahr 2000 Richtwerte für maximale THC-Gehalte in verschiedenen Lebensmittelgruppen festgelegt: Für Getränke lag der Wert bei 0,005 mg/kg, für Speiseöle bei 5 mg/kg und bei allen anderen Lebensmitteln bei 0,150 mg/kg.

Diese fixen Grenzwerte sollen nun nach Auffassung des BfR ersetzt werden durch eine Akute Referenzdosis (ARfD), also diejenige Substanzmenge pro Kilogramm Körpergewicht, die über die Nahrung innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko für den Verbraucher aufgenommen werden kann. Denn Ende 2018 kam die Behörde in einer Stellungnahme zu dem Ergebnis, „dass sich die vom früheren BgVV im Jahr 2000 empfohlenen THC-Richtwerte nach gegenwärtigen Maßstäben nicht mehr für die Beurteilung hanfhaltiger Lebensmittel eignen“. Es werde nämlich nicht als möglich angesehen, wissenschaftlich belastbare allgemeingültige Empfehlungen auszusprechen, bis zu welchen Δ9-THC-Gehalten in Lebensmitteln eine Überschreitung der ARfD ausgeschlossen werden kann.Erschwerend komme noch hinzu, dass die Gruppe „alle anderen Lebensmittel“ gegenwärtig eine Vielzahl verschiedener hanfhaltiger Lebensmittel umfasse, die bei der Aufstellung der Richtwerte im Jahr 2000 noch nicht auf dem Markt waren und daher nicht berücksichtigt werden konnten, „weshalb auch die Relevanz dieses Richtwertes anzuzweifeln ist“.

Deshalb empfiehlt das BfR nun, die toxikologische Beurteilung hanfhaltiger Lebensmittel auf Grundlage der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2015 abgeleiteten ARfD von 1 Mikrogramm Δ9-THC pro Kilogramm Körpergewicht durchzuführen. Daraus ergibt sich allerdings auch eine komplexere Überprüfung der Einhaltung dieser Grenzwerte: Für jedes zu bewertende Produkt sollte aus Sicht des BfR im Einzelfall geprüft werden, ob die ARfD möglicherweise überschritten werden kann. Für die Schätzung der Aufnahmemenge über die zu beurteilenden Produkte solle dabei die jeweilige Verzehrmenge im Einzelfall geschätzt werden und als Grundlage dafür die Daten der Daten der „EFSA Comprehensive European Food Consumption Database“ herangezogen werden. Bei Nahrungsergänzungsmitteln wederum könne die zu erwartende Verzehrmenge im Regelfall direkt über die gesetzlich vorgeschriebene Angabe der empfohlenen Verzehrmenge bestimmt werden.

Es ist die nächste gute Nachricht für die stetig wachsende Cannabis-Branche. Zuletzt hatte vor allem ihre Haltung zu CBD Schritt für Schritt liberalisiert: Nach dem wegweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der CBD explizit nicht als Betäubungsmittel einstuft, hatte die EU-Kommission CBD in die Cosing-Datenbank aufgenommen, die mehrere zehntausend Inhaltsstoffe enthält, die in Kosmetika verarbeitet werden dürfen, samt Identifikatoren und zugeschriebenen Wirkungen. Zu diesen Wirkungen gehören nun laut Cosing-Datenbank „Hautpflege“ (skin conditioning), Schutz der Haut (skin protecting), Antioxidantien (antioxidant) sowie eine talgmindernde Wirkung (anti-sebum). Beim Branchenverband Pro CBD geht man davon aus, dass dadurch – ähnlich wie bei der Health-Claims-Verordnung der EU – die Werbung für CBD-Kosmetika mit diesen Eigenschaften rechtssicher ist – und dass das erhebliche Auswirkungen auf die Branche haben wird. „Ich erwarte, dass der CBD-Kosmetikmarkt nun boomen wird. Auch für große Kosmetikkonzerne, die aus Gründen der rechtlichen Unsicherheit bisher Vorbehalte hatten, ist das ein Türöffner“, sagt der Pro-CBD-Vorsitzende Finn Hänsel. „Das ist für Industrie und Apotheken gleichermaßen ein wichtiges Signal, dass es künftig überhaupt kein Problem mehr darstellt, CBD in Kosmetikprodukten zu verwenden.“

Der Entscheidung war ein langer Streit darüber vorangegangen, wie CBD und Cannabis als Ganzes in der EU eingestuft werden sollen. Vergangenes Jahr war die EU-Kommission nämlich zu der vorläufigen Auffassung gelangt, dass es sich bei CBD um ein Betäubungsmittel handelt, da es ein Bestandteil der Pflanze Cannabis sativa L. ist, die wiederum im Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel der UN geführt wird. Alle Anträge von CBD-haltigen Produkten gemäß der Novel-Food-Verordnung wurden deshalb auf Eis gelegt.

Nachdem der EuGH in dann entschied, dass CBD im Warenverkehr innerhalb der EU nicht als Betäubungsmittel zu behandeln ist, und auch die UN Cannabis sativa L. in die niedrigste Anlage des Einheitsabkommens über Betäubungsmittel herunterstufte, ruderte dann auch die EU-Kommission zurück und verschickte die E-Mails an die Unternehmen, die einen der auf Eis gelegten Anträge gemäß der Novel-Food-Verordnung gestellt haben: „Im Licht der Stellungnahmen der Antragssteller und des jüngst ergangenen Urteils des Gerichtshofs im Fall C-663/184 hat die Kommission ihre vorläufige Auffassung einer Prüfung unterzogen und ist zu dem Schluss gelangt, dass Cannabidiol nicht als Betäubungsmittel im Sinne des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel der Vereinten Nationen von 1961 zu betrachten ist, da es keine psychotrope Wirkung entfaltet“, so die Kommission. „Im Ergebnis kann Cannabidiol als Nahrungsmittel betrachtet werden, sofern die anderen in Artikel 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 genannten Bedingungen erfüllt werden.“

 

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