Kommentar

Lehren aus der Hühnerkacke

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Berlin -

Die Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) plant die Revolte: Weg mit den Homöopathika aus dem deutschen Gesundheitswesen! Aufklärung für alle und alternative Heilmethoden für niemanden! Die Besonderheit der Therapieform, die sogar gesetzlich verankert ist, wird von den Kritikern ignoriert.

Es gibt Geschichten über heilende Hühnerfäkalien: Wenn im frühen Mittelalter ein Familienmitglied über Halsschmerzen klagte, nahm man den Mist aus dem Stall und strich ihn auf eine Scheibe Brot. Diese Zubereitung steckte man in ein Einweckglas, dichtete es für zwei bis drei Tage ab. Nach Abschluss der „Reifung“ musste der Kranke das Brot essen. Nach ein paar Tagen dann die Rückmeldung: Die Halsschmerzen sind weg.

Kranke vertrauten immer schon auf die traditionelle Therapie, hinterfragten sie nicht und wurden geheilt – über Jahrtausende blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig. Heute weiß man: Im eingeweckten Hühnermist bildeten Pilze ein Antibiotikum, das den bakteriellen Infekt heilte. Ist Homöopathie die Hühnerkacke-Stulle des 21. Jahrhunderts? Müssen wir uns wissenschaftlich erst noch 500 Jahre weiterentwickeln, um den Mechanismus zu verstehen? Das Simile-Prinzip zur Heilung wird häufig zitiert, aber selten verstanden. Homöopathie ist Reiz- und Regulationstherapie, die körpereigene Selbstheilungskräfte aktiviert. Was ist daran so verwerflich?

Genauso esoterisch, wie Kritiker die Homöopathie darstellen, kommen sie selbst daher. So trat die GWUP kürzlich den Versuch an, Wahrsager zu evaluieren. Nebenbei diskutieren die Paraforscher über Showhypnose und zerreißen Walddorfpädagogik. Findet hier wirklich eine sachliche Prüfung von Homöopathie statt? Die Riege der Meinungsmacher ist bunt gemischt: Biologen, Hobbyzauberer, Diplom-Ingenieure und selbsternannte Skeptiker stehen an der Spitze der GWUP. Ist das die forschende Elite für unser Gesundheitswesen? Und viel wichtiger: Dürfen solche Charaktere tatsächlich eine vernichtende Meinung zu alternativen Heilmethoden herbeireden?

Die Nachfrage nach homöopathischen Arzneimitteln ist innerhalb der vergangenen zehn Jahre gestiegen. Fast jeder vierte Apotheker bietet Homöopathie als Schwerpunktthema in seiner Offizin an. Sehr wenige Kollegen sehen es nicht als Option. Natürlich kann jetzt der große Aufschrei der Gegner kommen: Homöopathie ist genau so Augenwischerei wie das Wahrsagertum! Wahrsagerei kann man aber nicht in der Apotheke erwerben.

Der Vorwurf, dass hinter der Homöopathie hauptsächlich geschäftsbereichernde Empfehlungen in einem 400 Millionen Euro schweren Markt stehen, geht leicht von der Hand. Unnütze Zusatzverkäufe und wahllose Anpreisungen von hochpreisigen Präparaten findet man aber nicht nur bei entsprechend affinen Apothekern.

Klare Grenzen in der Anwendungsempfehlung überschreitet wohl kein seriöser Heilberufler: Einen bakteriellen Infekt, bösartige Zellkrankheiten oder Autoimmunerkrankungen mit Homöopathie therapieren zu wollen, sind Ausnahmen, die nicht die gesamte Therapierichtung in Verruf bringen sollten. Am Ende geht es um die Frage: Ist der Patient geheilt, wird selten gefragt, ob es nun ein Phytopharmakon, ein Komplexhomöopathikum oder eine Placebotablette war.

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