Korruptionsverdacht

Pfusch-Apotheker könnte Ärzte bestochen haben

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Berlin -

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen haben bei drei Ärzten und drei weiteren Beschuldigten Razzien wegen des Vorwurfs der Bestechung im Gesundheitswesen durchgeführt. Am Rande der Ermittlungen spielt auch der Bottroper Apotheker Peter Stadtmann eine Rolle, der für das jahrelange Panschen von Zytostatika zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Er unterhielt laut Staatsanwaltschaft Geschäftsbeziehungen zu einem Teil der Beschuldigten. Unterdessen wurde bekannt, dass der ehemalige Inhaber der Alten Apotheke insolvent ist.

Insgesamt 19 Geschäftsräume, sechs Privatwohnungen, zwei Steuerberaterbüros und weitere Nebenräume hatten die Ermittler am 12. März durchsucht, wie die Wochenzeitung Die Zeit zuerst berichtete. Laut Staatsanwaltschaft bezog ein Teil der Beschuldigten Medikamente von der Alten Apotheke in Bottrop. „Wir haben aber keine Hinweise darauf, dass an diesen Arzt gepanschte Medikamente verkauft wurden oder er von den Praktiken des Apothekers Kenntnis hatte“, stellt die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC klar. „Stadtmann ist eine absolute Randfigur in dem Verfahren, das auf einer Strafanzeige fußt, die mit dem Fall in Bottrop nichts zu tun hat.“

Stattdessen gehe es in der Hauptsache um einen Arzt aus Düsseldorf, der Unternehmen, mit denen er in geschäftlichen Beziehungen stand, zur Zahlung von Sponsoringgeldern zugunsten einer Gesellschaft veranlasste, die im Gesundheitsbereich tätig ist, so die Staatsanwaltschaft. Stadtmann soll laut Zeit einen Kongress mit mindestens 15.000 Euro unterstützt haben, den der beschuldigte Arzt mitveranstaltet hat. Außerdem wird besagtem Arzt vorgeworfen, einer Klinik Patienten zugeführt und dafür Vorteile erhalten zu haben. Dabei soll es sich um unentgeltliche Bereitstellung von Arbeitsräumen und Personal handeln.

Ob sich auch gegen Stadtmann Korruptionsvorwürfe erheben lassen, müssen die weiteren Ermittlungen ergeben. Auch ohne die jetzigen Untersuchungen ist noch viel Bewegung im Fall Bottrop: Derzeit geht der Fall zum Bundesgerichtshof (BGH), Stadtmanns Verteidiger haben Revision eingelegt und fordern einen Freispruch. Doch auch die Anklage hat Revision eingelegt, sie geht von weitaus mehr gepanschten Zytostatika aus, als die, für die Stadtmann verurteilt wurde.

Und damit nicht genug: Ein von der Nebenklage in Auftrag gegebenes Gutachten nährt unter Opfervertretern die Hoffnung, dass dem Apotheker noch ein Mordprozess droht. Die Juraprofessorin Dr. Frauke Rostalski argumentiert darin, dass die Arg- und Wehrlosigkeit der Patienten ausgenutzt habe, um sich durch sein Verhalten einen erheblichen Vermögensvorteil zu verschaffen. „Neben den damit erfüllten Mordmerkmalen der Heimtücke und der Habgier handelte der Angeklagte außerdem aus niedrigen Beweggründen“, schlussfolgert die Juristin. Demnach hätte das Gericht „den Angeklagten wegen versuchten Mordes verurteilen müssen“, so Rostalski.

Außerdem sind noch fünf Zivilprozesse anhängig und dutzende in Vorbereitung. Ab Juni kommt ein weiterer Prozess hinzu. Dann will das Landgericht Essen den Fall einer Frau verhandeln, die wegen der Angst vor dem Wiederauftreten einer früheren Krebserkrankung 10.000 Euro Schmerzensgeld geltend macht. Viel zu holen gibt es bei Stadtmann aber anscheinend nicht mehr: Am 26. März verkündete das Landgericht Essen, dass für ihn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde. Verfügungen über Stadtmanns Vermögen sind nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters zulässig, außerdem ist er ermächtigt, das Bankguthaben und sonstige Forderungen einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Stadtmanns Schuldnern wird verboten, an ihn zu zahlen.

Der Bottroper Zyto-Skandal war einer der größten Medizinskandale der Nachkriegsgeschichte: Stadtmann hatte jahrelang Zytostatika gepanscht, um sich selbst zu bereichern. Vergangenen Sommer wurde er wegen Betrugs in 59 Fällen und vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) in rund 14.500 Fällen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht ging von einem Schaden von 17 Millionen Euro aus. Außerdem erhielt er ein lebenslanges Berufsverbot. Die Anklage hingegen geht von 62.000 Arzneimitteln und einem Schaden von 56 Millionen Euro aus. Auch für die Apotheken in Nordrhein-Westfalen hatte der Fall Folgen: Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat daraufhin die Apothekenaufsicht verschärft.

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