Versandapotheken

Zur Rose/Shop-Apotheke: Ritt auf der Rasierklinge

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Berlin -

Die Shop-Apotheke hat 2018 ihren Umsatz auf 540 Millionen Euro fast verdoppelt, der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose wird am morgigen Mittwoch melden, erstmals die Schwelle von einer Milliarde Euro überschritten zu haben. Doch tief in den Bilanzen sieht es weit weniger ruhmreich aus. Zur Ertragslage wird es zwar erst bei der Präsentation der endgültigen Zahlen im März Informationen gehen. Doch fest steht: Wenn die beiden börsennotierten Holland-Versender weiter so viel Geld verbrennen, wird ihnen über kurz oder lang die Luft ausgehen.

177 Millionen Euro, 284 Millionen Euro, 540 Millionen Euro: Wenn man sich das Wachstum der Shop-Apotheke anschaut, kann einem schwindelig werden. Auch die Umsätze von Zur Rose können sich sehen lassen: Waren es 2016 noch 880 Millionen Franken, wurde 2017 die Milliarde mit 983 Millionen Franken nur knapp verpasst. Morgen dürften für 2018 zwischen 1,2 und 1,3 Milliarden Franken verkündet werden.

Fakt ist aber auch, dass sich das Wachstum zum großen Teil auf Zukäufe zurückführen lässt. Das Management der Shop-Apotheke hatte im Vorfeld des Börsengangs das Rx-Geschäft ausgegliedert und Ende 2017 – nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni – wieder integriert. Die so wieder neu hinzugekommenen Umsätze der Europa Apotheek in Höhe von rund 150 Millionen Euro sehen in der Bilanz natürlich gut aus. Dazu kam die Übernahme der auf Nahrungsergänzungsmittel spezialisierten Plattform Nu3.

Regelrecht im Kaufrausch ist auch Zur Rose: Ende 2017 kamen Eurapon und Vitalsana dazu, im vergangenen Jahr folgten – neben der spanischen Plattform PromofarmaApo-Rot und Medpex. Die beiden Schwergewichte im deutschen Versandhandel bringen es zusammen auf knapp 200 Millionen Euro Umsatz – bis Mitte 2019 schlägt sich deren erstmalige Konsolidierung noch positiv in den Büchern nieder.

Die Wachstumsstory lässt sich Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, viel Geld kosten. Dass ein kompletter Jahresumsatz als Kaufpreis gezahlt wird, kommt nicht häufig vor – schon gar nicht im Handelsbereich, wo die Margen schwach sind.

Bislang wusste Oberhänsli seine Deals noch jedes Mal zu finanzieren. Nachdem er 2016 mit der Unternehmerfamilie Frey und dem saudischen Königshaus zwei Investoren und insgesamt knapp 60 Millionen Franken gewinnen konnte, flossen beim Börsengang im Sommer 2017 noch einmal knapp 220 Millionen Franken. Im Juli konnte Oberhänsli 115 Millionen Franken über eine Anleihe einsammeln, das waren 30 Millionen Franken mehr als erwartet. Und die jüngste Kapitalerhöhung spülte noch einmal 200 Millionen Franken in die Kasse.

Doch einen großen Teil der mehr als 600 Millionen Franken hat Oberhänsli schon ausgegeben. Mehr als 50 Millionen Franken gingen für die Rückzahlung einer alten Anleihe drauf, mit der Zur Rose 2012 die Übernahme von DocMorris finanziert hatte. 80 Millionen Franken kosteten in der Summe Eurapon und Vitalsana, geschätzte 100 Millionen Franken Apo-Rot. Während Promofarma in diesem Kontext als kleinere Investition gelten darf, wird Medpex Zur Rose am Ende knapp 200 Millionen Franken gekostet haben.

Ende 2017 hatte Zur Rose einen Betrag von 107 Millionen Franken an liquiden Mitteln zur Verfügung. Geht man davon aus, dass die beiden Kapitalmaßnahmen des vergangenen Jahres komplett für die Übernahmen drauf gegangen sind oder noch drauf gehen werden, dürfte diese Reserve weiter abgeschmolzen sein. 36 Millionen Franken Verlust hatte Zur Rose für 2017 ausgewiesen, in diesem Jahr dürfte es nicht weniger sein, zumal schon im ersten Halbjahr 18 Millionen Franken fehlten. Spätestens 2020 wäre die Kasse leer.

Nur wenig besser sieht die Bilanz von Shop-Apotheke aus. Von den knapp 100 Millionen Euro, die der Börsengang gebracht hatte, waren Ende 2016 nach Tilgung diverser Verbindlichkeiten 38 Millionen Euro übrig geblieben. Ende 2017 waren die liquiden Mittel auf 16 Millionen Euro abgeschmolzen. Der Betrag dürfte nicht ausreichen, um das aktuelle Defizit auszugleichen: Ende September stand ein Minus von 23 Millionen Euro in den Büchern. So muss das Management um Stefan Feltens, der zum Jahreswechsel Firmengründer Michael Köhler als CEO abgelöst hat, vermutlich auf Gelder aus der Wandelanleihe in Höhe von 75 Millionen Euro zurückgreifen, die eigentlich für Zukäufe gedacht war.

So ist die anfängliche Euphorie am Kapitalmarkt der Ernüchterung gewichen. Die Aktie von Zur Rose notiert aktuell bei 90 Franken, im Sommer lag der Kurs noch bei knapp 140 Franken. Auch die Papiere von Shop-Apotheke hat seitdem ein Drittel an Wert verloren. Im November musste der Vorstand eine Gewinnwarnung herausgeben: Die Prognose für das Geschäftsjahr 2018 wurde gekappt, als Gründe wurde das „preisintensive Wettbewerbsumfeld in Deutschland“ genannt. Ergebnisbelastungen des ersten Halbjahrs könnten durch geplante Prozessverbesserungen im zweiten Halbjahr voraussichtlich nicht ausgeglichen werden, hieß es.

Dass sich das organische Wachstum abgeschwächt hat, musste auch Marcel Ziwicka, Finanzvorstand von Zur Rose, im Herbst einräumen. Das liege auch daran, dass man weniger in Werbemaßnahmen investiert habe. „Organisches Wachstum ist ziemlich teuer“, begründete er den Schritt.

Was er und Oberhänsli nun liefern müssen, sind Einsparungen. Bislang sind sie die Integration der übernommenen Konkurrenten weitgehend schuldig geblieben. Standorte gibt es in Heerlen, Hamburg, Ludwigshafen und Bremen. Selbst Halle wurde entgegen anders lautender Ankündigungen – auch gegenüber den Mitarbeitern – bislang nicht vom Netz genommen. Bevor 2020/21 das neue Logistikzentrum in Betrieb genommen wird, ist hier kaum mit Verbesserungen beim operativen Ergebnis zu rechnen. Immerhin wurde mittlerweile der Einkauf gebündelt.

„Risikoappetit“ nennt das Management der Shop-Apotheke die Strategie der Wette auf künftige Erträge. Doch unendlich strapazieren lässt sich die Geduld der Anleger und Investoren nicht. Dass die Familie Frey entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung bei der jüngsten Kapitalerhöhung von Zur Rose nicht teilnahm, kann als Patzer der Hausbank angesehen werden – oder als Warnschuss von Vanessa Frey an Oberhänsli, endlich zu liefern.

Solange Amazon nicht anruft und Zur Rose und/oder Shop-Apotheke kauft, müssen beide Versender weiter auf dem schmalen Grat zwischen Wachstum und Profitabilität balancieren. Einen Joker hätte Oberhänsli dabei noch. Er könnte das Geschäft in der Schweiz verkaufen, an die Supermarktkette Migros etwa, der der Ausbau des Shop-in-Shop-Konzepts mit Zur Rose dem Vernehmen nach ohnehin zu langsam geht. Alternativ könnte er DocMorris als eigenständige Firma an die Börse bringen – so wie es Insider eigentlich von Anfang an erwartet hatten.

Ganz ähnlich wusste Oberhänsli schon einmal seinen Job und die Existenz von Zur Rose zu retten: Weil die Vereinbarungen mit den Banken in Sachen Verschuldung und Eigenfinanzierung nicht erfüllt worden waren, hatten die Gläubiger 2009 nahezu die gesamten Firmenwerte gepfändet. Abgewendet werden konnte der Zusammenbruch nur durch den Verkauf des Generikaherstellers Helvepharm für 43 Millionen Euro an Sanofi.

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