Versandapotheken

Apo-Discounter: Ein unmöglicher Härtefall

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Berlin -

Als Versandapotheker hat man es nicht leicht. Der Preiskampf ist hart und droht nach den Kapitalmaßnahmen von Shop-Apotheke und Zur Rose noch härter zu werden. Gleichzeitig halten die Apothekerkammern die Hände auf: Obwohl der Versandhandel von den Berufsvertretungen bekämpft wird, sind die deutschen Versender die größten Beitragszahler. Apo-Discounter hat davon genug. Die Versandapotheke hat die sächsische Landesapothekerkammer (SLAK) verklagt.

Apo-Discounter gehört zur Apotheke im Paunsdorf-Center in Leipzig. Inhaberin Kirsten Fritsch hatte bereits 2004 damit begonnen, Arzneimittel an Endkunden zu verschicken. Anfangs wurden rund 50 Aufträge pro Tag manuell bearbeitet. Später wurden Automaten angeschafft, 2007 wurde das Versandgeschäft ausgelagert: In Markkleeberg am anderen Ende von Leipzig wurde ein riesiges Logistikzentrum eröffnet. Mittlerweile sind dort 120 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter ein halbes Dutzend Pharmazeuten.

Gegenüber der Kammer meldete Fritsch weiterhin die Umsätze der Apotheke, die zwischen 2007 und 2011 jeweils bei rund 5 Millionen Euro lagen. Die Kammer fragte nach, der Geschäftsstelle dürfte das rasante Wachstum von Apo-Discounter nicht entgangen sein. Fritsch entschuldigte sich: Der Versandhandel sei ihr seit dem Umzug in externe Räume aus dem Blick geraten; die Umsätze seien versehentlich nicht gemeldet worden.

Die Kammer wollte es nun aber genau wissen und holte Einkünfte beim Finanzamt ein. Demnach waren die Erlöse kontinuierlich gewachsen: von 10 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 17 Millionen Euro im Jahr 2008, 30 Millionen Euro im Jahr 2009 und schließlich 37 Millionen Euro im Jahr 2010. Zwischen 2011 und 2013 stagnierte das Geschäft bei jeweils rund 38 Millionen Euro. 2013 fuhren Apotheke und Versandhandel schließlich 53 Millionen Euro ein.

Die Kammer setzte auf dieser Grundlage Beiträge von insgesamt rund 200.000 Euro fest; den größten Teil, der noch offen war, sollte Fritsch sofort nachzahlen. Die Apothekerin kam der Aufforderung nach, zahlte aber unter Vorbehalt, legte Widerspruch ein und klagte schließlich, als dieser von der Kammer abgewiesen wurde.

Schon im Anhörungsverfahren hatte Fritsch ihre Apotheke zum Härtefall erklärt und den Erlass der Nachforderungen beantragt. Unter Verweis auf betriebswirtschaftliche Auswertungen für die Jahre 2009 bis 2012 argumentierte sie mit der defizitären Struktur ihres Internethandels. Ihr neues fremdfinanziertes Logistikzentrum befinde sich in der Investitions- und Wachstumsphase. Erst mittelfristig werde sich die Ertragslage durch die zu erwartende Markt- und Kostenkonsolidierung stabilisieren.

Ein Härtefall ergebe sich daraus, dass der Versandhandel besonders margenschwach sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass man im bundesweiten und teilweise internationalen Wettbewerb stehe und sich an Marktpreisen orientieren müsse. Deshalb führe die Bemessung auf der Grundlage der Umsatzgröße zu einer vergleichsweise deutlich höheren Belastung, so Fritsch.

Die Kammer kam dagegen zu der Einschätzung, dass kein Härtefall vorliege, da dafür persönliche oder schwerwiegende betriebliche Gründe vorliegen müssten. Dass der Kammerbeitrag gezahlt werden müsse, komme nicht überraschend und sei auch nicht existenzgefährdend für die Apotheke. 2012 etwa habe Fritsch Gesamtkosten von 13,5 Millionen Euro ausgewiesen. Eine Erhöhung um 0,24 Prozent könne kaum den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Apothekenbetriebes zur Folge haben. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Kammerbeitrag für mehrere Jahre auf einmal nachgezahlt werden müsse.

Die Kammer verwies darauf, dass alleine der Werbeetat im Jahr 2012 mehr als 3,1 Millionen Euro ausgemacht habe. Schon eine geringfügige Absenkung würde genügen, um den Kammerbeitrag zu entrichten. Da die Apotheke nach eigenen Angaben im Internet hauptsächlich über Google Adwords werbe, sei sie bei den Ausgaben flexibel.

Dass Fritschs Unternehmungen keine Gewinne erwirtschaften, begründe keine Härtefallregelung. In Investitions- und Wachstumsphasen fielen naturgemäß keine Gewinne an. Einen Millionenbetrag in ein neues Logistikzentrum zu investieren und deshalb hohe Kapitalkosten zu entrichten, sei Fritschs eigene unternehmerische Entscheidung, genauso wie die Preisgestaltung und damit am Ende die Marge.

Im Übrigen wäre es den anderen Mitgliedern nicht zu vermitteln, wenn die Apothekerin durch den Erlass der Kammerbeiträge aus dem Versandhandel einen Preiswettbewerb im Apothekensektor querfinanzieren könnte – zumal man als Kammer einem derartigen Verdrängungswettbewerb über die Preise ohne kritisch gegenüber stehe. Im Ergebnis sei die auf eigenverantwortlicher Kalkulation beruhende Reduzierung des Gewinns zugunsten höherer Umsätze oder zum Zweck der Marktkonsolidierung nicht bei der Bemessung der Kammerbeiträge zu berücksichtigen, so die Kammer in ihrem Bescheid.

Fritsch zog vor Gericht. Sie rechnete vor, dass die durchschnittliche Rohertragsspanne von Offizinapotheken im Jahr 2012 bei 25,5 Prozent gelegen hätten, diejenige ihrer Versandapotheke aber nur bei 24 Prozent. Der Unterschied erscheine zwar gering, vergrößere sich aber dadurch, dass nochmals 17 Prozentpunkte für spezifische Kosten wie Internetwerbung, Versand- und Verpackungskosten, Kreditkartengebühren und Bonitätsprüfung abzuziehen seien. Hinzu kämen weitere Kosten für die im Versandhandel zu beachtenden Pflichten wie Widerrufsrecht und Sendungsverfolgung. Im Ergebnis erziele sie im Versandhandel durchgängig keine Gewinne, sondern Verluste.

Fritsch stellte bei dieser Gelegenheit gleich die gesamte Beitragsordnung auf den Prüfstand. So werde gegen das Äquivalenzgebot verstoßen, weil der Beitrag in Sachsen nicht gedeckelt sei. Als große Apotheke stehe der Beitrag in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen, den sie aus der Mitgliedschaft ziehen könne. Außerdem zahle so viel wie 30 Durchschnittsapotheker, habe aber nur ein Stimmrecht in der Kammerversammlung.

Auch mit dem Gleichheitsgebot sei die Beitragsordnung nicht in Einklang zu bringen: So seien krankenhausversorgende Apotheken bis 2012 privilegiert gewesen, weil deren entsprechende Umsätze nur zu einem Drittel in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurden. Auch müssten Apotheker, die in benachbarten Kammerbezirken eine Filiale betrieben, nur auf die Umsätze ihrer Hauptapotheke Beiträge an die sächsische Kammer abführen. Apo-Discounter erwirtschafte nur 5 Prozent der Umsätze mit Kunden aus dem Freistaat, dies müsse entsprechend berücksichtigt werden.

Im Ergebnis forderte Fritsch nicht nur den Erlass der Nachforderungen für den Versandhandel aufgrund einer Härtefallregelung. Die Apothekerin schlug außerdem vor, dass bei Versandapotheken nur 5, maximal 10 Prozent der Umsätze dem Kammerbeitrag unterworfen würden.

Das Verwaltungsgericht Leipzig (VG) wies die Klage ab und folgte in seiner Begründung im Wesentlichen einem Urteil aus dem Jahr 2012. Damals hatte das VG Münster die Beitragsordnung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) für zulässig erklärt: Weil die Beitragsbemessungsgrenze gestrichen worden war, musste die Berg-Apotheke von Paul-Christoph Dörr mit einem Umsatz von 127 Millionen Euro knapp 140.000 Euro nachzahlen. Dass andere Kammern den Beitrag deckelten oder Teilbereiche ausnähmen, ändere nichts an der Befugnis der Kammer, ihre eigenen Regeln zu erlassen.

Den Leipziger Richtern zufolge ist am Umsatz als Bemessungsgrundlage nichts auszusetzen, da er die am einfachsten zugängliche Kenngröße sei. Im Rahmen der Satzungsautonomie stehe es der Kammer auch frei, eine Beitragsbemessungsgrenze einzuführen oder nicht. Extreme Einzelfälle seien jedenfalls kein hinreichender Grund, die ganze Beitragsordnung zu kippen.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass große Apotheken mit höherem Beitrag keinen größeren Nutzen aus der Mitgliedschaft erzielen könnten: Alleine im Bereich der Fort- und Weiterbildung des Personals profitiere die Apotheke in überdurchschnittlicher Weise. Zudem stehe der Apothekerin der Zugriff auf Informationsleistungen im Zusammenhang mit dem Apothekenversandhandel offen.

Fritschs Argument, dass die Kammer überhaupt nicht beim Finanzamt hätte nachfragen dürfen, ließen die Richter ebenfalls nicht gelten: Nachdem sich die Umsatzmeldungen der Apothekerin als unrichtig erwiesen hätten, haben ein sachlicher Grund für Restzweifel vorgelegen, die tatsächlichen Umsatzhöhen beim Finanzamt zu erfragen.

Ein Härtefall kam laut VG nicht in Betracht, da dieser nur durch konkrete Umstände eines atypischen Falls aufgefangen werden könnten. Umsatzunterschiede alleine begründeten in einer Solidargemeinschaft wie der Kammer noch keinen Sachverhalt, auf den mit einer Stundung oder einem Erlass reagiert werden müsse. Fritschs Apotheke sei die einzige mit einem derart hohen Umsatz im Kammerbereich. „Sie strebt nach ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren sogar die Marktführerschaft im Versandhandel an und ihre Umsatzentwicklung zeigt, dass dieses Ziel nicht abwegig ist.“

Eine Härtefallentscheidung dürfe nicht dazu führen, die generelle Gültigkeitsanordnung des den Beitragsanspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen, so die Richter weiter. Die im Verwaltungsverfahren noch vorgetragenen Argumente zu ihrer persönlichen wirtschaftliche Situation habe die Apothekerin vor Gericht ausdrücklich fallen gelassen. Der Fall liegt aktuell vor dem Oberverwaltungsgericht.

Nicht zur Sprache kam im Prozess, dass das operative Geschäft der Versandapotheke zum überwiegenden Teil von der Firma Apologistics gesteuert wird. Solche Konstruktionen sind bei den großen Versendern nicht ungewöhnlich, schon weil sie einen Zugang für externe Investoren bieten. Ein Nebeneffekt ist aber auch, dass Gewinne auf dieser Ebene aufgegriffen werden können.

Helmut Fritsch, Ehemann der Apothekerin und bis vor Kurzem Inhaber der Apotheke im Kaufpark Eiche bei Berlin, hatte um Apo-Discounter herum mehrere Firmen gegründet, vom Großhandel über einen Marketingdienstleister bis hin zur Domainverwaltung. Die zentrale Holding sitzt in der Schweiz. Seit 2014 ist als Investor außerdem Dr. Gerhard Köhler an Bord, ehemaliger Banker und Großaktionär beim Fotoanbieter Orwo.

Gerüchten aus der Branche zufolge hatte der Medienkonzern Ströer zuletzt eine Übernahme von Apo-Discounter geprüft, nach dem Blick in die Bücher aber abgewinkt. Stattdessen übernahm Fritschs Firma im Frühjahr Internetseite und Kundenstamm von Medipolis.

Mit Standorten in Kaufland-Märkten hatte Helmut Fritsch in den 1990er Jahren den Markt erobert. Sein Schwiegervater hatte einen direkten Draht in den Konzernvorstand – so erhielt die Familie den ersten Zugriff auf die attraktiven Flächen in den SB-Märkten, die sie mit mal mehr, mal weniger selbstständigen Apothekern besetzte.

Als Apo-Discounter 2010 zur offiziellen Lidl-Partnerapotheke wurde, nährte dies Gerüchte, dass die Schwarz-Gruppe auch bei der Versandapotheke an Bord sein könnte. Kurz darauf ging auch noch Dr. Fritz Oesterle zum Lebensmittelkonzern; der ehemalige Celesio-Chef hatte in den 1990er Jahren als Anwalt die Familie Fritsch in mehreren berufsrechtlichen Verfahren vertreten.

Apodiscounter ist außerdem unter Apolux, Apotheke-online.de sowie Apotheke.de zu erreichen. Letztere Domain gehört dem Internetunternehmer Dr. Florian Korff, einem Mediziner aus Ottobrunn, der sich in den 1990er-Jahren zahlreiche prominente Internetadressen gesichert hatte. Einige Domains wie medizin.de betreibt Korff heute in Eigenregie, für andere wie foto.de oder immo.de hat er Kooperationsverträge mit großen Onlineshops abgeschlossen.

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