Retaxfirma

C&A-Erben kaufen Inter-Forum

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Berlin -

Retaxationen sind ein lohnendes Geschäft – nicht nur für die Krankenkassen, sondern auch für ihre Dienstleister. Das hat sich bis zur Industriellenfamilie Brenninkmeijer herumgesprochen. Der C&A-Clan hat die Leipziger Retaxfirma Inter-Forum gekauft, die in den vergangenen Jahren Millionengewinne angehäuft hat.

Inter-Forum wird 1990 von Claus Wippich und Armin Gerhardt als Ableger der Firma ABK Systeme in Leipzig gegründet. Der Fokus liegt zunächst auf Kommunikationslösungen für Banken und Behörden; Wippichs Kompangnon baut das Stammhaus mit Sitz in Dreieich später zur internationalen Gruppe aus. Wippich steigt mit seiner mittlerweile in Inter-Forum umbenannten Firma ab 1995 in das Geschäft mit Sozial- und Abrechnungsdaten ein. Zu dieser Zeit kooperiert er mit der Gesellschaft für Statistik im Gesundheitswesen (GfS), gegen deren Muttergesellschaft VSA er Jahre später einen Datenstreit vom Zaun brechen wird.

2000 beginnt Inter-Forum mit der Abrechnungsprüfung der Apotheken. Angeblich soll Wippich von der Gmünder Ersatzkasse (GEK) überredet worden sein, nicht nur Lizenzen für die von seinem Systemhaus entwickelte Prüfsoftware Rezept300 anzubieten, sondern die Dienstleistung gleich mit. Drei Jahre später folgt mit Kompass302 das Pendant für den Bereich der sonstigen Leistungserbringer; parallel etabliert sich Inter-Forum als Datenstelle für Disease-Management-Programme (DMP) in unterschiedlichen KV-Regionen.

Mittlerweile ist das Unternehmen zu stattlicher Größe angewachsen. 2013 erreichen die Erlöse erstmals die Grenze von 40 Millionen Euro; mit knapp 1000 Beschäftigten gehört Inter-Forum zu den 20 größten Arbeitgebern der Region. Kein anderer Rezeptprüfer kann in dieser Größenordnung mithalten. Das Geschäft ist äußerst lukrativ; zeitweise werden Gewinne zwischen fünf und acht Millionen Euro eingefahren – nach Steuern. Zur Finanzierung der Auslagen verfügt Inter-Forum nicht nur über großzügige Kreditlinien; zusätzliche liegen Millionenbeträge in kurzfristigen Wertpapieren bereit.

Wer vom Geldsegen wirklich profitiert, lässt sich nie herausfinden. Einzige Aktionärin von Inter-Forum neben Wippich ist Anne-Marie Wagner-Höfer, eine Steuerberaterin aus Heilbronn. Sie hält die Anteile vermutlich treuhänderisch, möchte darüber aber nicht sprechen. „Ich habe Schweigepflicht“, sagt sie und bittet um Verständnis.

Auch wenn Inter-Forum bei den Apotheken gefürchtet ist, der größte Teil des Geschäfts entfällt auf andere Leistungserbringer. 70 Prozent des Umsatzes spülen geprüfte Belege von Taxifahrern, Hebammen, Pflegediensten, Hilfsmittelanbietern und Heilmittelerbringern in die Kasse. Weitere 20 Prozent entfallen auf den nicht nur wachstumsstarken, sondern auch besonders lukrativen DMP-Bereich; hier ist Inter-Forum nach eigenen Angaben unangefochtener Marktführer.

Das Apothekengeschäft ist mit weniger als 10 Prozent von untergeordneter Bedeutung. Zu den Kunden in diesem Bereich gehören die KKH und verschiedene LKKen; einige AOKen lassen ihre Belege von Inter-Forum bearbeiten. Bei den sonstigen Leistungserbringern gehören Schwergewichte wie TK, DAK und diverse IKKen zu den Kunden. Insgesamt arbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben unter anderem mit fünf der zehn größten Kassen zusammen. Die Software Rezept300 wird nicht nur von vielen Kassen eingesetzt, sondern teilweise auch von anderen externen Prüffirmen.

2011 kündigen sich die ersten Umbrüche an. Die verschiedenen Tochterfirmen werden fusioniert, die Leitung des operativen Geschäfts übernehmen die beiden heutigen Geschäftsführer, Jan Schaller, und Dr. Jörg Härtwig. Wippich scheidet zwei Jahre später aus dem Management aus, genauso wie Steffen Krause, der seit 2002 an Bord ist. 2013 wird auch die Niederlassung in Bremen aufgegeben.

Ende 2015 ist es schließlich so weit: Inter-Forum wird verkauft. Für einen unbekannten Kaufpreis erwirbt Bregal Investments die Retaxfirma. Die Beteiligungsgesellschaft hat nach eigenen Angaben weltweit knapp 10 Milliarden Euro in mittelständische Unternehmen investiert und gehört zu Cofra Holding mit Sitz in der Schweiz. Hinter der Dachgesellschaft steht die Brenninkmeijer-Familie, die vor allem mit der Textilkette C&A zu Milliardenreichtum gekommen ist.

Im Imperium der Großfamilie mit 1800 Angehörigen geht es „archaisch“ zu, wie das Manager Magazin vor einem Jahr titelte. Um eine Zersplitterung zu verhindern, werden Firmenanteile gemäß einem jahrzehntealten internen Regelwerk mit der Bezeichnung „Unitas“ nicht vererbt, sondern auf Zeit erworben. Nur wer seine Arbeitskraft in den Dienst der Familie stellt und sich dabei von ganz unten empor arbeitet, darf Teilhaber werben.

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