Inkontinenzprodukte

Apothekerin empört: Tena animiert zum Beratungsklau

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Berlin -

In Apotheken erhalten Kunden eine qualifizierte Beratung. Kaufen sie im Anschluss das Produkt wegen des Preises lieber in der Drogerie, ist im Team der Unmut groß. Besonders ärgerlich ist es, wenn Hersteller in der Werbung gleichzeitig auf Drogerien als Bezugsquelle und auf Apotheken als Ort für die Beratung aufmerksam machen. Apothekerin Dr. Stephanie Neufeldt sieht Kunden in einer aktuellen Tena-Anzeige zum Beratungsdiebstahl animiert und nahm die Marke aus der Freiwahl.

Auf einer ganzen Seite wirbt Tena in einer Frauenzeitschrift derzeit für die Serie „Silhouette“ gegen Blasenschwäche bei Frauen. Dabei verweist der Hersteller Essity (vormals: SCA) auf die verschiedenen Vertriebskanäle: „Tena Silhouette Lady Pants Plus erhalten Sie bei Rossmann, Müller sowie in Supermärkten. Oder lassen Sie sich zum Sortiment in der Apotheke oder im Sanitätshaus diskret und fachkundig beraten.“

Neufeldt war entsetzt, als sie die Anzeige beim Frisör in einer Frauenzeitschrift entdeckte. Der Werbetext sei skandalös, sagt die Inhaberin der Apotheke am Klinikum in Darmstadt. Oben rechts wirbt Tena zudem für eine kostenlose Probe und Beratung „jetzt bei Ihrem Apotheker“. Die Pharmazeutin kritisiert, dass das Unternehmen explizit auf Drogerien und Supermärkte als Verkaufsorte verweist und die Apotheken nur als Beratungsort oder zum Abholen der Proben nennt.

Neufeldt hat auf die Werbung reagiert. Sie nahm die Inkontinenzprodukte von Tena komplett aus der Freiwahl. Die Einlagen und Windeln sind in die Schubladen verlagert worden. Sie werden nicht mehr aktiv beworben, sondern nur auf Nachfrage abgegeben. Außerdem verschenkte das Team alle noch vorhandenen Proben an eine nahe gelegene Dialysepraxis. Zudem fragte sie beim Unternehmen nach einer Stellungnahme. Bisher jedoch ohne Antwort.

Tena ist laut Unternehmensangaben in gut sortierten Apotheken oder Sanitätshäusern sowie Drogerien und Supermärkten wie Rewe, Edeka, Globus und Kaufland erhältlich. Die Marke gibt es seit rund 50 Jahren, 2002 kamen Inkontinenzprodukte speziell für Männer auf den Markt. Der Verkauf der männerspezifischen Produkten nahm in der Apotheke 2017 um rund 20 Prozent nach Volumen zu.

In Apotheken ist die Tena laut Iqvia Marktführer. Knapp dahinter rangieren im Bereich Inkontinenz Produkte von Hartmann und Seni von TZMO. Die drei Hersteller kamen 2017 auf etwa 80 Prozent des gesamten Apothekenumsatzes in Offizin und Versandhandel. Im Mass Market ist die Marke Always Discreet von Procter & Gamble (P&G) ein Mitbewerber. Der Markt für Inkontinenzprodukte in der Offizin entwickelte sich laut Iqvia zuletzt rückläufig. Aufsaugende Produkte machen mit knapp 70 Prozent den größten Anteil aus. Branchenkennern zufolge wächst derzeit vor allem das Geschäft mit Windeln im Lebensmitteleinzelhandel. Der Markt ist jedoch hart umkämpft: Etwa die Hälfte des Umsatzes entfällt dort auf die Eigenmarken der Händler.

Beratungsdiebstahl kommt immer wieder im HV vor. Kunden informieren sich vor Ort und kaufen die Produkte im Anschluss entweder im Mass Market oder im Versandhandel. Auch Diskussionen über die Preise sind Apothekenmitarbeitern nicht neu. Zuletzt musste sich eine Apotheke aus Mainz für angebliche „Wucherpreise“ rechtfertigen, weil dort Blasenpflaster teurer als in der Drogerie nebenan verkauft wurden.

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