Körpereigene Protease als Angriffspunkt?

Medikament zum Schutz vor SARS-CoV-2

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Berlin -

Die Suche nach geeigneten Therapien für Covid-19 läuft auf Hochtouren: Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums Göttingen (DPZ) beschäftigen sich schon länger mit Coronaviren. Nun wurden sie auf ein in Japan zugelassenes Medikament aufmerksam, welches ein bestimmtes Enzym hemmen kann, das das Eindringen des neuartigen Coronavirus in das Lungengewebe ermöglicht.

Breit gefächertes Spezialteam

Neben dem DPZ setzt sich das Forscherteam auch aus Kollegen der Charité Berlin, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der BG-Unfallklinik Murnau, der Ludwig-Maximilian-Universität München, des Robert Koch-Instituts sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung zusammen. Hauptforschungsgebiet der Wissenschaftler ist es zu ermitteln, auf welche Art und Weise verschiedene Viren in den Organismus und die Körperzellen eindringen und dort für den Ausbruch von Krankheiten sorgen.

Coronaviren im Fokus

Seit mehreren Jahren beschäftigen sie sich dabei unter anderem mit Coronaviren: Bei den Untersuchungen ermittelten die Forscher ein bestimmtes körpereigenes Enzym, welches das Virus benötigt, um in die Lungenzellen eindringen zu können: Die Protease TMPRSS2 ist schon länger im Fokus der Wissenschaftler. Offenbar spielt sie auch bei Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus eine Rolle. Die Blockade dieses Enzyms könnte somit einen wichtigen Angriffspunkt für wirksame Therapien darstellen.

Klinische Studien notwendig

In Japan ist bereits ein Medikament zugelassen, welches helfen könnte: Camostatmesilat wird eigentlich zur Behandlung von Pankreas-Entzündungen verwendet. Bei Untersuchungen stellten die Forscher jedoch fest, dass es das Enzym TMPRRSS2 hemmt und somit das Eindringen von SARS-CoV-2 in die Lungenzellen verhindert könnte. Mithilfe isolierter Viren eines Erkrankten testeten die Forscher die Wirkung auf das neuartige Virus und wurden fündig: Das Medikament verhinderte tatsächlich das Eindringen von SARS-CoV-2 in die Lungenzellen. Den Wissenschaftlern zufolge legen die Ergebnisse nahe, dass das Arzneimittel damit auch vor Covid-19 schützen könnte. Im nächsten Schritt müsste dies in klinischen Studien untersucht werden.

Antivirale Wirkstoffe als Lösung?

Auch verschiedene andere Ansätze werden bereits getestet: Unter anderem wurden probeweise antivirale Wirkstoffe wie Oseltamivir – bekannt aus Tamiflu (Roche) – eingesetzt. Da keine weiteren Details veröffentlicht wurden, ist der wirksame Einsatz bisher jedoch nicht belegt. „Virologisch gesehen ist das Blödsinn“, sagte Professor Dr. Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen gegenüber der „Zeit“. Denn die Oberflächenstrukturen von Influenzaviren, an denen das Medikament andocke, würden sich so sehr von dem Sars-CoV-2 Virus unterscheiden, dass das Medikament nicht wirken dürfte. Auch der Einsatz von HIV-Medikamenten wird diskutiert. Die Proteaseinhibitoren Lopinavir und Ritonavir (Kaletra, Abbvie) zeigten erste positive Ergebnisse.

Malariamittel Chloroquin gegen Coronavirus?

Ein weiterer Ansatz ist das Malariamittel Chloroquin: Der Wirkstoff wurde über 60 Jahre lang von Bayer unter dem Namen Resochin vertrieben – im November letzten Jahres hat der Konzern den Vertrieb aller Resochin-Produkte eingestellt. In einer chinesischen klinischen Studie erwies sich der Wirkstoff als wirksam gegen SARS-CoV-2. An der klinischen Studie nahmen mehr als 100 Patienten teil. Laut Artikel ist die Behandlung mit Chloroquin „wirksamer“ als die Behandlung mit Placebo. Genaue Zahlen nannten die Forscher der Universität Qingdao im Artikel nicht.

Schleimlöser Ambroxol: Hilfreich bei Coronainfektionen?

Auch der Schleimlöser Ambroxol könnte möglicherweise potenziell unterstützende Effekte haben: Ambroxol wirkt den Forschern zufolge wie eine Art „zelluläre Müllabfuhr“: Zwar gibt es diesbezüglich noch keine Ergebnisse, der beschriebene Abtransport von Abfallstoffen könnte möglicherweise jedoch auch beim aktuellen Coronavirus eine Rolle spielen. Denn neben den Symptomen steht bei den Erkrankten vor allem die Verstopfung der Lunge durch abgestorbenes Gewebe im Fokus. Hinzu käme die Hinweise der Studien, die auf eine verbesserte Penetration von Antibiotika in das Bronchialgewebe hindeuten. Bei einer Lungenentzündung, die in Folge der Coronavirus-Infektion auftreten kann und antibiotisch behandelt wird, wäre somit eine verbesserte Wirkung möglich.

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