Drogenersatztherapie

BtM-Sichtvergabe: Aufsicht durch Apothekenboten

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Berlin -

Im Eilverfahren hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Apotheken den Alltag erleichtert. Umfassend sind auch die Änderungen in Bezug auf die Abgabe von Betäubungsmitteln, denn es wurden verschiedene Ausnahmen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) beschlossen. Diese betreffen vor allem die Substitutionsbehandlung.

Die vorübergehenden Änderungen der betäubungsrechtlichen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der BtMVV sollen die Versorgung mit Betäubungsmitteln sicherstellen.

Abweichungen vom BtMG

Abweichungen gibt es bei der Erlaubnispflicht für die BtM-Abgabe. Diese wird befristet suspendiert. Dies ermöglicht es Apotheken, sich untereinander bedarfsgerecht mit BtM austauschen zu können, auch wenn sonst keine Erlaubnis vorliegt. Ziel ist es, die medizinische Versorgung insbesondere von Patienten sicherzustellen, die intensivmedizinisch behandelt werden.

Aufgrund von Covid-19 bestehe ein erhöhter Bedarf an Beatmungskapazitäten auf den Intensivstationen. Dieser gehe mit einem höheren Bedarf an Betäubungsmitteln wie Remifentanil, Sufentanil, Fentanyl und Midazolam zur sogenannten Analgosedierung einher. Die erleichterte Austauschmöglichkeit unter den Apotheken soll die Versorgung der betroffenen Patienten sichern.

Abweichungen von der BtMVV

Erleichterungen sollen auch die Änderungen der BtMVV bringen. Insbesondere gehe es hier um die Substitutiontherapie, denn sowohl Patienten als auch Ärzte stünden vor großen Herausforderungen. Ziel der Abweichungen sei zum einen die Sicherstellung der Versorgung der Patienten, um Rückfälle, illegale Beschaffung und den Konsum illegaler BtM zu vermeiden.

Das sind die vorübergehenden Abweichungen von der BtMVV

Zur Sicherstellung der Substitutionstherapie opioidabhängiger Patienten, die das Substitut zum unmittelbaren Verbrauch erhalten, darf der substituierende Arzt:

  • abweichend von § 5 Absatz 4 Satz 2 BtMVV eine größere Zahl an Patienten behandeln
    das bedeutet: Ärzte ohne suchtmedizinische Qualifikation dürfen mehr als zehn Patienten behandeln
  • abweichend von § 5 Absatz 5 Satz 3 BtMVV bei der Vertretung eines substituierenden Arztes die dort festgelegte zeitliche Begrenzung überschreiten
    das bedeutet: Ärzte ohne suchtmedizinische Qualifikation dürfen Patienten länger als vier Wochen in einem zusammenhängenden Zeitraum oder länger als 12 Wochen insgesamt vertretungsweise im Jahr behandeln
  • abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 2 Nummer 1 BtMVV Substitutionsmittel in der für bis zu sieben aufeinander folgenden Tage benötigten Menge verschreiben
    das bedeutet: die Regelung, die lediglich eine Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme für einen Zeitraum von zwei Tagen erlaubt, wird auf einen Verschreibungszeitraum von sieben Tagen ausgeweitet
  • abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 3 BtMVV innerhalb einer Kalenderwoche mehr als eine Verschreibung aushändigen
    das bedeutet: Take-home-Verordnungen sind nicht mehr auf die einmal wöchentliche Aushändigung begrenzt. Mediziner dürfen ohne Limitierung abweichen, um räumlich-soziale Kontaktsituationen bei der Substitutionstherapie, soweit möglich und substitutionsärztlich vertretbar, zu reduzieren
  • abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 4 sowie § 5 Absatz 9 Satz 6 BtMVV die Verschreibung auch ohne persönliche Konsultation aushändigen
    das bedeutet: Ärzte dürfen Verordnungen für den Take-home-Bedarf dem Patienten oder der Apotheke auf dem Postweg oder durch einen Boten zukommen lassen

Abweichungen bei der Sichtvergabe: Abgabe durch den Boten

  • abweichend von § 5 Absatz 10 Satz 1 und 2 BtMVV auch anderes Personal einsetzen, soweit das in diesen Vorschriften zur Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch genannte medizinische, pharmazeutische oder pflegerische Personal nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung steht
    das bedeutet: Sichtvergabe durch den Boten! Patienten im Sichtbezug können auch außerhalb der substitutionsärztlichen Praxis oder der Apotheke versorgt werden, beispielsweise, indem der Botendienst der Apotheke den Patienten mit den erforderlichen Substitutionsarzneimitteln versorgt. Die Verantwortlichkeiten des substituierenden Arztes bleiben unberührt.
  • abweichend von § 8 Absatz 6 Satz 1 BtMVV darf der substituierende Arzt zur Sicherstellung der Therapie Notfallverschreibungen ausstellen
  • abweichend von § 8 Absatz 3 BtMVV dürfen zur Sicherstellung der Versorgung mit Betäubungsmitteln Betäubungsmittelrezepte nach § 8 Absatz 1 BtMVV auch außerhalb von Vertretungsfällen von einem anderen Arzt als demjenigen verwendet werden, an den das Betäubungsmittelrezept vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgegeben wurde

Die vorgesehenen Abweichungen von den bestehenden Regelungen sind bis zu dem Zeitpunkt in Kraft, bis der Bundestag das Bestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite für beendet erklärt, spätestens jedoch bis zum 31. März 2021.

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