„Wir müssen dieser Aufgabe gerecht werden“

Apothekenklientel bleibt zu Hause – Abda rechnet mit viel mehr Botendiensten

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Berlin -

Die Abda rechnet wie die Politik mit einem weiteren Anstieg der Zahl der Corona-Infizierten und der Zahl der schweren Erkrankungsverläufe. In einer Sitzung des Gesamtvorstandes wurde heute über die Konsequenzen beraten. Demnach geht man davon aus, dass immer mehr Patienten über den Botendienst versorgt werden müssen, sagte Abda-Präsident Friedemann Schmidt. Um die Arzneimittelversorgung aufrechtzuerhalten, müssten in Zukunft auch Verdachtsfälle im Apothekenpersonal weiterarbeiten, vielleicht sogar Infizierte.

„Die Corana-Pandemie befindet sich im frühen Stadium, die Infektionszahlen und die Zahl der schweren Erkrankten werden sich deutlich erhöhen“, so Schmidt. Außerdem werde die Politik ihre bisherige Strategie etwas ändern und die Regeln etwas für wenige gefährdeten Personenkreise lockern, „um Wirtschaft nicht in den Abgrund zu fahren“. Allerdings würden zugleich die Risikogruppe weiter isoliert. Der Abda-Präsident: „Das klassische Apothekenklientel wird weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwinden.“ Für die Apotheken bedeute dies, dass wesentliche Teile im Botendienst versorgt werden müssten.

Schmidt: „Eigentlich brauchen wir hier eine einheitliche, verbindliche Lösung.“ Denkbar sei auch eine Anordnung des Botendienstes. „Deswegen brauchen wir eine ordentliche Vergütung.” Zwei Euro wie in Baden-Württemberg seien nicht ausreichend für eine verbindliche Regelung. Darüber stehe man mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Austausch. Die Hauptlast der Corona-Krise würden aber die Klinken in der Versorgung Schwerkranker tragen. Aufgabe der Apotheken sei es, die Grundversorgung mit Arzneimittel aufrechtzuerhalten. Schmidt: „Die Bedeutung der Apotheken vor Ort wächst, wie wir das nie vorhergesehen haben.“ Apotheken würden zu einem „unverzichtbaren Teil“ des Gesundheitswesens: „Wir müssen dieser Aufgabe gerecht werden.“

Die wesentlichen Probleme in den Apotheken seien der Mangel an Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln. „Nach zwei wirklich harten Wochen stehen wir erst am Anfang der Krise“, so Schmidt. In den Apotheken herrsche „extremer Druck“, auch durch irrationales Verhalten der Patienten. Dies sei zusammengefallen mit den Problemen beim Eigenschutz.

Jetzt habe sich die Lage etwas entspannt. Der Run auf Apotheken habe nachgelassen, „die Chroniker sind einmal durchversorgt“. Daher könnten die Apothekenteams etwas aufatmen. Große Frage sei aber, wie es weitergehe, wenn die Zahl der Infizierten weiter ansteige, „was wir alle erwarten.” Das RKI habe bereits einen neuen „Status“ für relevanten Personalmangel festgelegt, um Schließungen von Einrichtung bei Infektionsverdacht zu vermeiden. Mitarbeiter sollten demnach weiterarbeiten können, wenn ein Infektionsverdacht bestehe. So laute auch eine Empfehlung der Abteilung 6 des Bundesgesundheitsministeriums. Die Abda gehe davon aus, dass diese Regeln auch für Apotheken gelten. „Sonst gibt es bald keine offenen Apotheken mehr.“

Mit dem Thema Schutzausrüstung habe man „unbefriedigende Erfahrung“ gemacht. Angebote auf freiem Markt sei nur schwer einzuschätzen. Bei den zentralen Beschaffungsmaßnahmen des BMG seien Apotheken nur „sehr weit unten eingestuft“. „Das ist sehr unbefriedigend“, so Schmidt, denn „bei der ersten Beschaffungswelle stehen Apotheken nicht in der ersten Reihe.“ Bei weiteren Beschaffungswellen müssten Apotheker aber unbedingt berücksichtigt werden, auch wegen der zunehmenden Zahl von Botendiensten auch für infizierte Personen.

Befriedigender sei die Lage inzwischen bei Desinfektionsmitteln. Das sei eine Bewährungsprobe für das Apothekensystem, „wenn die Industrie an Grenzen stößt“. Zunächst habe es riesige Probleme bei der Beschaffung der Ausgangsstoffe und der Logistik gegeben, so Schmidt. Diese Probleme lösen sich nun auf. „Jetzt muss das Logistikproblem gelöst werden“, so der Abda-Präsident. Die Apotheker setzten dabei auf den Großhandel. Der Phagro habe mitgeteilt, dass der Großhandel intensiv an einer Lösung arbeite.

Nach wie vor schwerstes Problem in den Apotheken seien die Versorgungsengpässe. „Das ist ein täglicher Drahtseilakt“, so Schmidt – auch in der Kommunikation. Einerseits wolle man den Menschen versichern, dass die Arzneimittelversorgung nicht gefährdet sei. Daher beruhige man, „wenn Panik entsteht“. „Unsere Mitglieder erleben aber das Gegenteil. Die Zahl der Probleme steigt exorbitant an“, so Schmidt. Die Priorisierung bei Paracetamol und der Pneumokokken-Impfstoff zeige das. „Das wird nicht einfacher werden. Die Probleme werden eher größer als kleiner“, so der Abda-Präsident.

Schmidt forderte, die Regeln in der Apotheke so weit zu vereinfachen, „dass Arbeit in Apotheken möglich bleibt“. Die Abda habe das BMG sehr früh darauf aufmerksam gemacht. „Wir brauchen Erleichterung beim Austausch von Arzneimitteln. Mit den jetzt per Gesetz geschaffenen Ermächtigungen könnte das geregelt werden.” Er gehe davon aus, dass „Spahn davon sehr schnell davon Gebrauch macht. Bei Rabattverträgen brauchen wir einheitliche flächendeckende Lösung“. Auch die Länder verfügten jetzt über hinreichende Ermächtigungen für Erleichterungen bei Öffnungszeiten. Das werde von den Apotheken bereits in vernünftigem Umfang genutzt. Schmidt: „Wir spüren jeden Tag die Motivation unserer Kollegen.“

Angesichts der Fokussierung der Politik auf die Corona-Krise rechnet der Abda-Präsident nicht mit einer raschen Befassung der Koalition mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG). Das Parlament habe zwar seine Arbeitsfähigkeit unter Beweis gestellt. Aber die Aufmerksamkeit der Gesundheitspolitik liege jetzt auf anderen Themen.

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