Kommentar

Der Tod der typischen Apotheke

, Uhr
Berlin -

2009 war das Schicksalsjahr für die deutschen Apotheken. Während der

Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Freigabe

des Marktes per Urteil verweigerte, sank in Deutschland erstmals seit

Zulassung des beschränkten Mehrbesitzes die Zahl der Apotheken. Seitdem

ist offen sichtbar, wohin die Reise geht: Während Apotheken und

Apothekeninhaber weniger werden, gibt es immer mehr Filialverbünde. Die

große Liberalisierung ist ausgeblieben, stattdessen verfällt das Bild

des Apothekers in seiner Apotheke schleichend. Die Kluft innerhalb des

Berufsstandes wächst – unaufhaltsam und immer schneller.

Verglichen mit 2004 gibt es 4000 selbstständige Apotheker weniger in Deutschland – ein Rückgang um 20 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Apotheken in einem Filialverbund – von Null auf aktuell 32 Prozent.

Während die Wirtschaftspresse – und leider auch weite Teile der Gesundheitspolitik – das von der ABDA skizzierte Apothekensterben als Lobbygeplänkel abtun, läuft hinter den Kulissen die Umverteilung von Umsatz und Marktmacht auf Hochtouren. Die typische Apotheke wird irgendwann als statistische Größe ausgedient haben – weil sie schlichtweg nicht mehr typisch ist: Kleinen Apotheken, die gerade noch den Inhaber bis zur Rente finanzieren, stehen regelrechte Großbetriebe gegenüber.

Entsprechend groß war der Sturm der Entrüstung, den Friedemann Schmidt mit seinen Einlassungen zu den „kleinen Buden“ auf sich zog. Wenn selbst der ABDA-Präsident so freihändig Stellung bezieht, welche Chancen hat dann noch der Apotheker als Einzelunternehmer?

Dass am Markt die Größe zählt, ist eine Binsenweisheit: Wer keine Masse bieten kann, bekommt auch keinen Rabatt. Selbst auf der Ebene der Einkaufsgemeinschaften haben sich längst Eliten gebildet, die unter sich bleiben wollen.

Doch auch politisch sind die Einzelkämpfer im Abseits. So haben die Spargesetze der vergangenen Jahre die Entwicklung beschleunigt: 30 Cent weniger treffen vor allem jene Apotheken, die auf sie angewiesen sind – und schaffen noch mehr Raum für solche mit der Kraft, auch längere Durststrecken zu überleben und als Filialisten einzuspringen. Das neue Fixhonorar, der neue Kassenabschlag und die Notdienstpauschale bringen allenfalls eine Verschnaufpause.

Das bedeutet nicht nur, dass die Verantwortung für die Versorgung auf weniger Schultern ruht, sondern auch einen Rückgang an Unternehmertum in der Breite. Den Berufsstand der Apotheker trifft dies in der Substanz: Stürzt die Anzahl der Selbstständigen weiter ab, steht auch die Freiberuflichkeit irgendwann infrage.

Spätestens wenn die Versorgungsdichte spürbar abnimmt, werden sich die Großen formieren, die die Kleinen schon längst nicht mehr als Kollegen sehen. Die Debatte um die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) war nur ein Vorgeschmack. Am Ende könnten Forderungen nach einer Ausweitung des Mehrbesitzes aus der Apothekerschaft selbst kommen. Der ein oder andere Gesundheitspolitiker steht für solche Vorschläge bereit – der ein oder andere Konzern sicher auch.

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