Interview Michael Hensoldt (Insight Health)

Jede dritte Apotheke ist im Preiskampf

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Berlin -

Ob OTC oder Kosmetik: Der Versandhandel wächst, während die Offizin-Apotheken bestenfalls auf der Stelle treten. Der Grund, warum viele Verbraucher ins Internet abwandern und selbst Akutmedikamente auf Vorrat bestellen, ist der oft günstigere Preis. Michael Hensoldt, Geschäftsführer OTC beim Marktforschungsunternehmen Insight Health, erklärt im Interview mit APOTHEKE ADHOC, wie der Preiswettbewerb im Apothekenmarkt funktioniert und welche Apotheken besonders aktiv sind.

ADHOC: 10 Prozent Durchschnittsrabatt in der Offizin, 30 Prozent im Versandhandel. Haben Sie diese Zahlen überrascht?
HENSOLDT: Da wir den Markt schon länger beobachten, nicht wirklich. Auf jeden Fall kann man sagen, dass der Preiswettbewerb im OTC-Apothekenmarkt funktioniert. Das wird in der öffentlichen Diskussion ja oft anders dargestellt.

ADHOC: Wie ist das Rabattniveau in Bezug auf den UVP im Vergleich zu anderen Branchen?
HENSOLDT: Wir erheben zwar keine vergleichbaren Daten in anderen Branchen, allerdings herrscht durch Preisvergleiche im Internet ja größtenteils schon eine hohe Preistransparenz für Konsumgüter. Es kann sich aber jeder selbst überlegen, wie oft er solche Nachlässe – außerhalb von Aktionen – dauerhaft bei anderen Produkten in anderen Handelskanälen als den Apotheken findet.

ADHOC: Wie bewerten Sie die Entwicklung über die Zeit?
HENSOLDT: Im großen und ganzen ist das Rabattniveau ziemlich konstant, den letzten größeren Preisrutsch hatten wir im Herbst 2013. Seit 2014 ist in den Offizinapotheken der Abschlag zum Listenpreis um 1 Prozentpunkt gestiegen, was für einen gewissen Preisdruck seitens der Versandapotheken spricht. Im Versandhandel war es im gleichen Zeitraum – auf deutlich höherem Niveau – nur die Hälfte.

ADHOC: 10 Prozent Rabatt in der Offizin – das klingt sehr viel.
HENSOLDT: Das stimmt. Es ist jedoch nicht jede Apotheke preisaktiv; die Mehrzahl hält sich nach unserer Beobachtung – abgesehen von einzelnen Aktionen – weitestgehend an den empfohlenen Listenpreis. Das verfälscht natürlich das Bild, das man sich als Verbraucher macht. Nur eine Minderheit von marketingaffinen Apotheken setzt auf den Preis und liegt deutlich darunter. Wir schätzen, dass etwa ein Drittel aller Offizinapotheken regelmässig preisaktiv sind.

ADHOC: Welche Apotheken sind das?
HENSOLDT: Die Dorfapotheke wird es in der Regel weniger nötig haben, ihre Kunden mit Rabatten zu binden, als Apotheken in umkämpften Lagen oder in Einkaufszentren. Das sind aber oft die großen Apotheken, was wiederum den Durchschnitt beeinflusst. Erhebliche Differenzen bei der Preisgestaltung gibt es auch je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Kooperationen.

ADHOC: Welche Spanne bleibt den Apotheken?
HENSOLDT: Die Differenz zwischen dem gelisteten Netto-Herstellerabgabepreis (ApU) und dem realem Apothekenverkaufspreis (rAVP) liegt in der Offizinapotheke bei 82 Prozent. Versandapotheken kommen hier lediglich auf 34 Prozent. Allerdings taugt dieser Wert überhaupt nicht, um Aussagen zu den Gewinnspannen zu treffen.

ADHOC: Warum nicht?
HENSOLDT: Zunächst einmal gilt es, die unterschiedliche Distributionsstruktur in die Kanäle Offizin- und Versandapotheken und die damit einhergehende beziehungsweise entfallende Großhandelsvergütung zu berücksichtigen. Aber selbst wenn man das herausrechnen würde, hätte man keine vergleichbaren Rechengrundlagen, da die tatsächlichen Einkaufskonditionen immer noch eine ‚black-box‘ darstellen. Dies gilt natürlich sowohl für Versandapotheken als auch für die großen Kooperations- und Centerapotheken.

ADHOC: Wie erklären Sie sich, dass im Versandhandel ein höherer Rabatt auf Arzneimittel gewährt wird, in der Offizin dagegen Freiwahlprodukte vorne liegen?
HENSOLDT: Konsumenten sind bei Freiwahlprodukten – die potenziell auch in anderen Vertriebskanälen als der Apotheke auftauchen können – in der Regel preissensitiver als bei Arzneimitteln. Im Versandhandel decken sich die Verbraucher vor allem mit einem längerfristig planbaren Bedarf von hochpreisigen Arzneimitteln – häufig in großen Packungen – ein. Dieses spezielle Arzneimittelsortiment erlaubt eine entsprechend höhere Rabattierung als die typische Akut-Medikamentierung mit einer kleinen Packung in der Offizin-Apotheke. Wir sprechen hier von einem Portfoliobias.

ADHOC: Welche Produkte werden am stärksten rabattiert?
HENSOLDT: Wer sich in einen Preiswettbewerb begibt, betreibt in der Regel eine Mischkalkulation. Vor allem Ankerprodukte werden günstig beworben, die Kunden in die Apotheke ziehen sollen. Das sind die typischen Schnelldreher, oft gibt es saisonale Angebote. Andere Produkte haben dann häufig den empfohlenen Preis.

ADHOC: Gibt es Versandapotheken, die über Listenpreis liegen?
HENSOLDT: Das sind extreme Einzelfälle, etwa wenn bei Umstellungen vergessen wurde, die Preise anzupassen. Im Grundsatz gilt: Versandapotheken verkaufen große Packungen günstiger als kleine, bei teuren Medikamenten ist der Rabatt zwar prozentual niedriger, absolut aber höher.

ADHOC: Welche Produkte werden selten rabattiert?
HENSOLDT: Man kann sagen, dass Homöopathika und Anthroposphika es bisher geschafft haben, sich dem Preiswettbewerb weitestgehend zu entziehen. Mit 25 Prozent unter Listenpreis im Versandhandel und 3 Prozent in der Offizin liegen sie am unteren Ende.



Michael Hensoldt ist seit Jahresbeginn Geschäftsführer OTC bei Insight Health. Der 41-Jährige studierte an der Universität Gießen Betriebswirtschaftslehre mit Abschluss Diplom-Kaufmann. Beim Marktforschungsunternehmen war er in verschiedenen Positionen tätig, unter anderem als Product Manager und Leiter Marketing.

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