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Linden-Apotheke: HV-Tisch als Raumschiff

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Berlin -

Vor zehn Jahren hat Apothekerin Meike Raasch ihre Linden-Apotheke umgebaut – und in ein weißes „Raumschiff“ verwandelt. Sie hat damit Aufmerksamkeit weit über die Grenzen Ludwigsburgs gefunden. Es hagelte Designerpreise. Architekturstudenten pilgerten in die Körnerstraße, selbst in China wurde über die Apotheke berichtet. Ob sich Mühe und Aufwand gelohnt haben: „Ja“, sagt Raasch.

1999 übernahm Pharmazeutin Raasch die alteingessene Linden-Apotheke von ihrer Schwiegermutter. Das Interieur stammte aus dem Jahr 1976, das klassische Stil der 70er Jahre: grün-braune Farben dominierten die Offizin. „Das war nicht mehr zeitgemäß“, so Raasch. Mit einer „Pinsel“-Renovierung brachte sie zunächst Licht in die Apotheke – braun raus, weiß rein. Aber das war nur eine erste „Notfallmaßnahme“.

Über Freunde stieß sie dann auf die Stuttgarter Designer der Ippolito Fleitz Group, damals noch eine wenig bekannte, aber aufstrebende Gruppe. Inzwischen unterhält die Gruppe Büros in Berlin, Moskau, Zürich, Shanghai und Seoul. Die Design-Idee war schnell geboren: Runde Formen und lichte Farben sollten die Apotheke bestimmen, „alles sehr weiblich“ machen, wie Raasch sagt.

Im Zentrum der Offizin steht – besser gesagt schwebt – der HV-Tisch, dominierend wie das Steuerpult eines Raumschiffes in einem Science-Fiction-Film. Gefertigt ist er aus Corian, einem mineralisch-organischen Acrylstein. Umrahmt wird die moderne Inneneinrichtung von einem Natursteinboden aus Pflastersteinen, wie man sie auf Bürgersteigen findet. „Das schafft einen übergangslosen Zugang von der Straße in die Apotheke“, erklärt Raasch.

Aber vor allem das handgemalte Deckenfresko zieht die Blicke der Besucher auf sich: Das Deckengemälde stammt von der Künstlerin Monika Trenkler, die sich Inspirationen dafür aus der mütterlichen Apotheke in Polen holte. Das Gemälde aus elf Arzneipflanzen steht sinnbildlich für die inhaltliche Ausrichtung der Linden-Apotheke auf Naturheilkunde und Homöopathie. An der Decke blühen unter anderem Lilien, Misteln, Efeu und Holunder, „alles Heilpflanzen, die auch heute noch als Arzneimittel verwendet werden“, so Raasch.

Fünf Wochen dauerte die radikale Verwandlung der Apotheke im Jahr 2006 – und das im laufenden Betrieb. Wegen des wachsenden Konkurrenzdrucks sollte das Facelifting eine klare Spezialisierung auf Naturheilkunde zum Ausdruck bringen. Das wurde geschafft. Die Ausstrahlung der Linden Apotheke sollte „plakativ und faszinierend“ ausfallen, aber nicht aufdringlich und marktschreierisch. Aufgabe war zugleich, mehr Möglichkeiten zur Warenpräsentation für die Sicht- und Freiwahl zu schaffen – aus der Apotheke einen Erlebnisraum zu machen.

Viele ihrer Kunden fanden das neue Design einfach nur „cool“, wie Raasch berichtet: „Jeder hat hingeschaut und gestaunt.“ 2008 wurde die neue Linden-Apotheke mit dem „Produkt Design Award“ ausgezeichnet, 2009 für den Designerpreis vom Rat der Formgebung nominiert. Ihre Apotheke schaffte es in zahlreiche Architektur-Bücher und Broschüren. Sogar eine Zeitschrift in China berichtete über das außergewöhnliche Erscheinungsbild.

Geeignet wäre die Linden-Apotheke übrigens auch als Konzertsaal. Die Akustik ist so einzigartig, dass Architektur-Studenten ein Modell nachbauten, um die Verteilung des Schalls genauer analysieren zu können.

Unterm Strich hat sich die Sache rückblickend ausgezahlt: „Meine Apotheke ist mit diesem Design klar positioniert, die Kunden kommen gerne herein, staunen und bewundern die Offizin. Sie fühlen sich einfach wohl und kommen in diese Apotheke, weil die Kompetenz des Teams in Bezug auf Naturheilkunde und Homöopathie durch das Design widergespiegelt wird. Dieser Ruf hat sich über die Grenzen Ludwigsburgs hinaus rumgesprochen und das macht glücklich und zufrieden auch ohne Globuli und Pflanzen.“

Apotheken als Touristenmagnet gibt es auch anderorts: Die Berlin-Apotheke am Hackeschen Markt ist denkmalgeschützt und einen Besuch wert. Die Lübecker Löwen-Apotheke residiert in einem der ältesten Bürgerhäuser Deutschlands.

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