Kommentar

Niemand ist #unverzichtbar

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Berlin -

Seit gut anderthalb Jahren beharrt die ABDA auf dem Rx-Versandverbot. Seit sechs Monaten schweigt sie außerdem starrköpfig zum Honorargutachten. Stattdessen überzieht sie die deutsche Apothekenrepublik mit einer hausbackenen „#unverzichtbar“-Kampagne. Wenn Politik tatsächlich mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, wie einst der erste SPD-Vorsitzende der Nachkriegszeit, Kurt Schumacher, sagte, dann ist es allerhöchste Zeit für einen Strategiewechsel der Standesvertretung, kommentiert Lothar Klein.

Man muss unangenehme Gutachten wie die 2hm-Aussagen zum Apothekenhonorar nicht totschweigen, um sie aus der politischen Welt zu eliminieren. Dr. Frank Diener von der Treuhand Hannover demonstriert mit seinen Argumenten einen besseren und Erfolg versprechenderen Weg: Fakten überzeugen in der Politik mehr als Vermutungen und übertriebene Untergangsszenarien. Die von Diener vorgetragenen Einwände – so sie einer Überprüfung standhalten – bieten auch für die ABDA eine gute und überzeugende Grundlage für die anstehende Auseinandersetzung über das Apothekenhonorar.

Zur Erinnerung: 2012 hatte die ABDA für die Honorardebatte Zahlen zur betriebswirtschaftlichen Lage der Treuhand-Apotheken zur Verfügung gestellt, die von Destatis, BMG und BMWi postwendend angezweifelt wurden. Weil die Apotheker ihr eigenes Zahlenwerk nicht glaubhaft verteidigen konnten, stehen sie im Zahlenkrieg seitdem mit dem Rücken zur Wand. So forderten vor einem Jahr die Grünen eine Expertenkommission fürs Apothekenhonorar. Denn die offiziellen Zahlen von ABDA und Kammern insbesondere zu Eröffnungen und Schließungen würden „nur unzureichend zur Verfügung gestellt“.

Jetzt dreht Diener den Spieß um. Auch wenn Statistik ein kompliziertes Geschäft ist, müsste sich doch bei gutem Willen unter den Fachleuten eine objektive Einschätzung über eine belastbare Berechnungsgrundlage zur wirtschaftlichen Situation der Apotheken finden lassen.

Für die ABDA sollten Dieners Argumente der Anlass sein, ihre politische Wagenburg zu verlassen. Die Fokussierung auf das Rx-Versandverbot versperrt den Blick auf die sich rasch und dramatisch veränderten Rahmenbedingungen: Die EU-Kommission will diesen milliardenschweren Markt an sich ziehen. Um die Apotheken herum explodiert die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Behandlungsmethoden verändern sich, die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Ärzten und Patienten wird mit der elektronischen Patientenakte in Kürze auf eine neue, andere Grundlage gestellt.

Die Ärzte schaufeln nächste Woche den Weg frei für die Telemedizin ohne direkten Patientenkontakt. Zwingend verknüpft ist damit das elektronische Rezept. Niemand wird akzeptieren, dass Patienten per Video-Konferenz untersucht werden, um anschließend ihr Rezept persönlich in der Praxis abzuholen. Aber wo landet das E-Rezept? In der Apotheke, beim Großhandel oder direkt beim Hersteller. Die rasante technische Entwicklung der letzten Zeit hat eines gezeigt: Die Fantasie reicht nicht aus, um die zukünftigen Einwicklungen und deren Folgen abschätzen zu können. Aber eines ist klar: Zwei digitale Rezeptsammelstellen können keine Wunder bewirken.

Wo bleiben darauf die Antworten der ABDA? Sich selbst als #unverzichtbar zu erklären, wird nicht ausreichen, das Berufsbild des selbstständigen Apothekers über die absehbaren Veränderungen hinwegzutragen. Selbst ein Rx-Versandverbot kann die in Jahrzehnten gewachsene Apothekenlandschaft nicht vor der Zukunft schützen. Das ist Placebo-Politik. Im Gegenteil: Die Versender würden sich auf den OTC-Markt stürzen. Und es gibt Gesundheitsökonomen, die bereits offen dafür plädieren, Rezeptfreies auch in Tankstellen zu verkaufen. Der Markt der Arzneimittelversorgung befindet sich im Umbruch. Wo bleiben da die Apotheken?

Dabei gibt es gute Ansätze: Die #unverzichtbaren Vorteile der Apotheken auf Bestellportalen zu bündeln, spricht für sich. Knapp 20.000 Lager mit ihren Botendiensten könnten Amazon & Co. Paroli bieten und auf die Kundenwünsche nach Bequemlichkeit, Schnelligkeit und Service eingehen.

Warum greift die ABDA solche Initiativen nicht auf, pusht diese und sorgt mit ihrer wirtschaftlichen und politischen Power für eine erfolgversprechende Markteinführung? Die Politik wartet nur auf Vorschläge der Apothekerschaft für die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Zukunft.

Die ABDA muss die Zukunft der Apotheker selbst in die Hand nehmen und darf sich nicht auf politische Zusagen verlassen. Mit ihrer Methode „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ führt die ABDA die selbstständigen Apotheker sonst in eine berufliche Sackgasse. An deren Ende gibt es vielleicht keinen Ausweg mehr. Niemand ist #unverzichtbar.

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