Künstliche Intelligenz

Sprachtest soll Alzheimer erkennen

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Berlin -

Boehringer testet mit einem internationalen Team von Neurowissenschaftlern und IT-Spezialisten den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Diagnose von Schizophrenie und Alzheimer-Demenz. Mithilfe einer App wird die Sprache analysiert: Die Software soll psychische Störungen in einem früheren Stadium erkennen und dadurch eine effektivere Behandlung ermöglichen.

Christoph Eschenfelder, bei Boehringer für das digitale Forschungsprojekt verantwortlich, erklärt die Hintergründe: „Aus früheren Studien wissen wir beispielsweise, wie sich die gesprochene Sprache bei Patienten mit Schizophrenie oder Alzheimer-Demenz ändert.“ Vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Krankheiten seien viele auffällige Merkmale erkennbar. Die Algorithmen sollen die Früherkennung solcher Krankheiten unterstützen.

„Wir haben jetzt klinische Studien gestartet, um die Verwendung künstlicher Intelligenz für die Sprachanalyse bei der Diagnose von Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz und Schizophrenie zu untersuchen“, berichtet Eschenfelder weiter. Die Spracherkennungssoftware könne zwischen den Zeilen lesen und mithilfe von Algorithmen typische Muster und Beziehungen der Krankheiten erkennen. Nach der Analyse werden die Sprachsignale für die grafische Darstellung konvertiert, so dass Satzstruktur, Bedeutung, Intonation und Rhythmus mit farbigen Grafiken dargestellt werden können. Durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen lernt das System dabei, Muster zu erkennen und zu klassifizieren.

Frühere Studien mit Schizophrenie-Patienten haben bereits gezeigt, dass sich die Betonung verändert und die Komplexität der Sprache verringert hat. Dies können frühe Anzeichen der Krankheit sein. Ebenso zeigen viele Alzheimer-Patienten Veränderungen in ihrer Sprache: Aufzeichnungen von Interviews, die Psychologen mit Studienteilnehmern durchgeführt haben, basieren auf einem spezifischen Fragensystem und liefern die Rohdaten für die digitale Sprachanalyse.

Schizophrenie tritt bei etwa 75 Prozent der Patienten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren auf und verschlimmert sich im Verlauf. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung könnten den Prozess verlangsamen oder sogar gänzlich stoppen. Eindeutige Biomarker für die Diagnose der Schizophrenie gibt es nicht, daher ist die Erkennung der Krankheit oft schwierig. Betroffene neigen häufig zu Rückzug, Emotionslosigkeit oder Schlafproblemen. Da der Beginn häufig mit der Pubertät einhergeht, werden diese ersten Hinweise oft ignoriert oder falsch interpretiert.

Da die Scheu, einen Psychiater aufzusuchen, weithin sehr hoch ist, könnte die App Abhilfe schaffen und dabei helfen, solche Hemmungen zu überwinden. Basierend auf nur wenigen Antworten könnte sie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung der Krankheit ermitteln. Eine Früherkennung während der sogenannten „prodromalen Phase" einer psychischen oder neurodegenerativen Erkrankung wäre ideal: Das bedeutet, eine Diagnose kann bereits erfolgen, wenn noch keine charakteristischen Symptome von Schizophrenie oder Alzheimer festgestellt wurden.

Boehringer strebt eine Kombination verschiedener Methoden zur Früherkennung an: Zu diesem Zweck treibt der Konzern die Suche nach geeigneten Biomarkern wie der Spracherkennung voran, die die Früherkennung unterstützen könnten. Mit diesem Forschungsansatz geht Boehringer über die Entwicklung von Arzneimitteln hinaus. Auch andere Pharmaunternehmen forschen im Bereich künstliche Intelligenz: Im Juni stellte Novartis das ebenfalls algorithmusbasierte, digitale „MS Progression Discussion Tool“ (MSProDiscuss) vor. Die KI soll – mithilfe von zielgerichteten Fragen – erste Anzeichen für eine Progression der schubförmig-remittierenden MS (RRMS) zur sekundär progredienten MS (SPMS) entschlüsseln.

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