Interview mit Dr. Daniel Merk (ETH Zürich/Uni Frankfurt)

„Die Fettleber-Hepatitis ist der neue Diabetes”

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Berlin -

Dr. Daniel Merk ist mit Herz und Niere Pharmazeut und begeisterter Wirkstoffforscher. Eines seiner Lieblingsorgane ist die Leber, aber auch Erkrankungen des ZNS spielen eine wichtige Rolle in seiner Forschung. Gemeinsam mit seinem Team ist er dabei zum Beispiel auf der Suche nach Arzneistoffen, die bei einer nicht-alkoholischen Fettleber-Hepatitis (Steatohepatitis) zum Einsatz kommen könnten. Denn bislang fehlen medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Doch das könnte sich in naher Zukunft ändern, vielleicht auch aufgrund der Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe.

Unter der Steatohepatitis werden entzündliche Veränderungen in einer Fettleber verstanden, bei der es keine infektiösen Ursachen gibt. Bei etwa der Hälfte der Fälle kommt es zu unspezifischen Beschwerden, wie zum Beispiel Druckempfindlichkeit bei vergrößerter Leber, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Völlegefühl, Gewichtsabnahme. Bei leichten Fällen kann eine Ernährungsumstellung bereits die Beschwerden lindern. In schweren Fällen können Gelbsucht, Fieber und eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes auftreten und eine Lebertransplantation erforderlich machen.

„Die Krankheit ist gekennzeichnet durch verschiedene Faktoren. Zum einen kommt es durch die Fettablagerung zu einer Schädigung der Hepatozyten, zum anderen spielen oxidativer Stress und Entzündungen eine Rolle, aber auch toxische Metabolite”, erklärt Merk. „Hier sind viele metabolische Parameter von Bedeutung.” Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe hat er einen experimentellen Wirkstoff entwickelt, der zwei biologische Zielstrukturen gleichzeitig beeinflusst. Es handelt sich hierbei um einen „dualen Modulator”, da er den nukleären Farnesoid X-Rezeptors (FXR) aktiviert, was vor oxidativem Stress schützt und die Akkumulation von Fetten in der Leber reduziert. Gleichzeitig hemmt die Substanz mit dem IUPAC-Namen „4-(tert-Butyl)-N-(2-chloro-4-(methylsulfonamido)benzyl)benzamid” die lösliche Epoxidhydrolase (sEH) und wirkt dadurch entzündungshemmend.

„Die systematische Entwicklung von Substanzen, die molekulare Zielstrukturen im Körper modulieren, fasziniert mich”, erzählt der Forscher, der Pharmazeutische Wissenschaften in München studiert und auch die zweite pharmazeutische Prüfung absolviert hat. Mit seinem Studienfach und seinem Forschungsgebiet sei der 33-Jährige sehr zufrieden: „Das Studium war eine absolut gute Wahl und überragend.” Als Habilitand an der Uni Frankfurt ist er auch engagiert in der Lehre: Pharmaziestudenten kennen ihn aus der Nomenklatur/Stereochemie-Vorlesung.

Für die Entwicklung des Wirkstoffs hat das Team kürzlich den Phoenix-Preis in der Kategorie Pharmazeutische Chemie gewonnen. 10.000 Euro gab es für die Wissenschaftler. „Den großen Teil des Geldes stecken wir in das Projekt”, sagt Merk, der hauptsächlich an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule (ETH) Zürich, aber gleichzeitig auch als Nachwuchsgruppenleiter an der Goethe-Universität Frankfurt tätig ist. Denn für die nächsten anstehenden Studien seien komplexe und kostenintensive Tiermodelle nötig. „Da könnten wir das Geld gut gebrauchen.” Aber der Preis sei auch Anlass zum Feiern und eine Motivation weiterzumachen: „Gemeinsam mit den 16 Autoren gehen wir deshalb essen und feiern unseren Erfolg.”

Doch Merk und seine Arbeitsgruppe sind nicht die Einzigen, die auf diesem Gebiet forschen. Dem Wissenschaftler zufolge befindet sich der FXR-Agonist Obeticholsäure in Phase III der klinischen Forschung. Die Substanz ist bereits unter dem Handelsnamen Ocaliva (Intercept) im Handel, allerdings nur für die Behandlung der primären biliären Cholangitis zugelassen. Außerdem könnte auch der duale PPARα/δ-Agonist Elafibranor (Genfit) bald Marktzugang finden. „Die Fettleber-Hepatitis ist der neue Diabetes und eine lange Zeit unterschätzte, unerkannte Volkskrankheit”, sagt Merk. Umso wichtiger seien neue Therapien, vor allem weil Schätzungen zufolge bis zu 30 Prozent der Erwachsenen daran litten.

Dass er im Vergleich zu früheren Zeiten nicht mehr so häufig pipettieren und im Kittel stehen kann, bedauert der Forscher. „Im Monat bin ich maximal einige Tage im Labor. Mein Arbeitsalltag hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Schreiben, verwalten, Vorträge vorbereiten, Doktoranden betreuen, planen, auf Kongresse gehen, mit Kollegen austauschen – ich habe natürlich viel Schreibtischarbeit”, berichtet er. Vor allem sei der bürokratische Aufwand sehr gestiegen. Letzteres dürfte auch Apothekern ein Begriff sein.

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