Tübingen

Telekom statt Traditionsapotheke

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Berlin -

Apotheker Albert Schmierer steht vor einem Einschnitt in seinem beruflichen Leben: Der Pharmazeut hat sich entschlossen, seine Filiale in Tübingen zu schließen. Der Standort wird seit Anfang der 1970er Jahre von seiner Familie geführt. Grund für die Aufgabe: Die sinkenden Erträge konnten die hohe Miete nicht mehr decken. In die Geschäftsräume wird im März stattdessen eine Telekom-Filiale einziehen.

Die Apotheke am Neckartor hat Schmierer 2002 übernommen. Der Bruttoertrag pro Rezept sei in den vergangenen Jahren gesunken, sagt er. Am Jahresende bleibe unter dem Strich lediglich ein „gutes Apotheker-Gehalt“ übrig. Der Rx-Anteil liege bei etwa 50 Prozent. Der Apotheker wollte mit seinem zweiten Standort kein Risiko eingehen: „Bei den niedrigeren Erträgen und der hohen Miete muss nur irgendetwas schiefgehen und man ist dran“, sagt der Pharmazeut.

Auch die Apothekendichte ist an dem Standort hoch: In unmittelbarer Nähe von wenigen hundert Metern gibt es auf beiden Neckar-Seiten gleich mehrere Wettbewerber. Mit der Lage war Schmierer dennoch zufrieden. Ein Manko seien aber die schlechten Parkmöglichkeiten, sagt er. Die Laufkundschaft sei eher gering. Die Apotheke wird Ende Februar schließen.

Schmierer entstammt einer Apothekerfamilie. Sein Onkel Dr. Friedrich Zinsser hatte die Apotheke 1958 in der Mühlstrasse gegründet und 1972 an den heutigen Standort verlegt. Ein Jahr später begann der Pharmazeut, Q-Potenzen nach Samuel Hahnemanns Werk Organon herzustellen. Die Produkte wurden in Abstimmung mit dem Homöopathen Dr. Georg von Keller entwickelt und in einem angrenzenden denkmalgeschützten Turm aus dem 18. Jahrhundert produziert.

Zinsser starb 1998. Seine Ehefrau bat ihren Neffen im Anschluss, die Offizin weiterzuführen. Schmierer hatte bereits 1987 im rund 60 Kilometer entfernten Freudenstadt eine Apotheke gekauft. Er entschloss sich, den Tübinger Standort zu übernehmen. Seine Apotheke hatte bis zur Zulassung von Filialen im Jahr 2004 sein Vater Wulfhart Schmierer übernommen.

Die Fertigung der Q-Potenzen wurde in den vergangenen Jahren erweitert. Heute werden rund 700 verschiedene Einzelmittel angeboten. Durch die Abwesenheit von elektronischen Geräten sei in dem Turm die störungsfreie Herstellung der Produkte garantiert. Schmierer ist für den Vertrieb verantwortlich. Vor allem homöopathische Ärzte und Heilpraktiker bezögen die Produkte, sagt er. Verkauft wird auch über das Internet; einen darüber hinaus gehenden Versandhandel betreibt Schmierer nicht: Nur die homöopathischen Mittel würden verschickt.

Die Produktion der Homöopathika will Schmierer nicht aufgeben. Die Fertigung soll nach Freudenstadt verlegt werden. Deshalb baut der Apotheker derzeit seine Hauptapotheke um. Ein neuer Kommissionierautomat von Rowa soll den erforderlichen Platz schaffen. Eine neue Filiale sei zunächst nicht geplant, sagt Schmierer. Wenn doch, würde er einen ertragsstarken Standort in einem Einkaufszentrum favorisieren.

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