Nahrungsergänzungsmittel

Veniapharm: Abmahn-Bluff aufgeflogen

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Berlin -

Veniapharm hat eine weitere Niederlage vor Gericht einstecken müssen. Im Streit mit dem bayerischen Unternehmen Doppler Health hat das Oberlandesgericht (OLG) München das Vorgehen der Grünwalder Firma als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Geschäftsführer Lutz Kortmann und sein Anwalt Thorsten Beyerlein konnten keine ausreichenden Umsätze nachweisen.

Vor etwa zwei Jahren war Doppler durch Veniapharm wegen des Q10-Produkts Migra 3 abgemahnt worden. Kritisiert wurde, dass keine placebo-kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie mit signifikantem Ergebnis (Goldstandard-Studie) vorliegt. Der vemeintliche Wettbewerber forderte Doppler auf, Migra 3 nicht mehr in Verkehr zu bringen oder vertreiben zu lassen. Auch die Werbung sollte untersagt werden.

Neben Doppler wurden auch Apotheken und Großhändler abgemahnt. Die Abmahnkosten in den 31 Fällen beliefen sich laut der Frankfurter Kanzlei Schadbach Rechtsanwälte, die Doppler vertritt, auf rund 36.000 Euro, das Prozesskostenrisiko lag bei rund 176.000 Euro. Migra 3 wurde damals als ergänzende bilanzierte Diät angeboten, inzwischen ist das Präparat als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.

Kurz nach der Abmahnwelle im Zusammenhang mit Migra 3 beanstandete Veniapharm auch den ebay-Auftritt von Doppler. Weil das Unternehmen laut Rechtsanwältin Dr. Bettina Elles ein missbräuchliches Vorgehen der Grünwalder Firma noch nicht beweisen konnte, hatte es zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, aber weder Abmahnkosten noch eine später geforderte Vertragsstrafe gezahlt. Daraufhin hatte Veniapharm im vergangenen Jahr vor dem Landgericht (LG) München geklagt und gewonnen. Doppler legte Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung im Juli dieses Jahres ging es im Wesentlichen darum, ob Veniapharm rechtsmissbräuchlich vorgegangen war.

Mehrere Gerichte hätten bislang angesichts der Umsätze von Veniapharm keine Rechtsmissbräuchlichkeit gesehen, so Elles. Kortmann habe unter anderem für das Geschäftsjahr 2013 eidesstattlich Umsätze mit Nahrungsergänzungsmitteln von knapp 300.000 Euro versichert. „Wir waren uns von Anfang an sicher, dass wir es mit einem 'Potemkinschen Dorf' zu tun haben, konnten das aber noch nicht beweisen“, sagt Elles. In anderen Verfahren hätten die Gerichte die Frage des Rechtsmissbrauchs recht schnell verworfen. „Das OLG München war in der Tat eines der wenigen Gerichte, die genau hier den Fokus gesetzt haben“, so Elles.

Das OLG forderte von der Grünwalder Firma Zahlungsnachweise, die die behaupteten Geschäftsumsätze belegen. „Kortmann hat aber keine Belege vorlegen können und stattdessen behauptet, die Rechnungen seien später storniert worden“, so Elles. Der tatsächliche Umsatz habe im Jahr 2013 bei unter 1500 Euro gelegen. Dabei handelte es sich vermutlich um Testbestellungen von Abgemahnten, die prüfen wollten, ob der Onlineshop mehr als nur Fassade sei, so die Juristin.

Das sah auch das OLG so, kassierte das Urteil der Vorinstanz und wies die Klage ab. „Die Klägerin hat versucht, ein unzutreffendes Bild ihrer Geschäftstätigkeit im Zeitpunkt des Ausspruchs der zahlreichen Abmahnungen zu vermitteln, um die große Anzahl der Abmahnungen in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrer Geschäftstätigkeit erscheinen zu lassen“, heißt es im Urteil. Neben den falschen Angaben zu den Umsätzen gehörten dazu auch irreführende Angaben zur Beschäftigung eines Mitarbeiters in Vollzeit.

Bereits im ersten Geschäftsjahr habe Veniapharm 160 Abmahnungen ausgesprochen. Es sei davon auszugehen, dass Veniapharm die Abmahnung gegen Doppler „nicht vorwiegend aufgrund wettbewerblicher Gründe, sondern zur Generierung von Vertragsstrafen und Rechtsverfolgungskosten ausgesprochen wurde“, so die Münchener Richter.

„Damit ist obergerichtlich festgestellt, dass es bei der Abmahntätigkeit von Veniapharm nicht um den lauteren Wettbewerb oder den Verbraucherschutz, sondern von Anfang an um das Abkassieren gegangen ist“, sagt Elles. Einfach sei der Sieg nicht gewesen: „Wir haben dafür kiloweise Schriftsätze zur Post gebracht. Aber die zweijährige Arbeit hat sich gelohnt.“ Das Urteil aus München ist rechtskräftig.

Veniapharm war auch gegen „Orthoexpert ProMan-boost“ von Weber & Weber vorgegangen. Das LG Osnabrück hatte eine Klage der Firma gegen eine Versandapotheke wegen Rechtsmissbrauchs zurückgewiesen. Das OLG Oldenburg hatte in einem Hinweisbeschluss erklärt, dass es den Sachverhalt genauso sieht. Die Richter hatten Veniapharm geraten, die Berufung zurückzunehmen. Veniapharm war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

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