Insolvenz

Sanierung: Apotheker scheitert am Finanzamt

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Berlin -

Trotz Insolvenzantrag konnte ein Apotheker in Kappeln seinen Betrieb noch zweieinhalb Jahre weiterführen. Zermürbt vom Fachkräftemangel auf dem Land und einem Entscheid des Bundesfinanzhofs gab er jetzt auf.

Schon im Februar 2016 hatte Torsten Hüneke einen Insolvenzantrag für seine Dehnthof-Apotheke im schleswig-holsteinischen Ort gestellt. „Er musste feststellen, dass der Ertrag sich nicht so entwickelte, wie er es bei der Übernahme erwartet hatte“, erklärt der Hamburger Rechtsanwalt Jan Kind. „Er stellte einen Antrag auf Eigenverwaltung, das ist eine branchenbedingte Besonderheit. So konnte er die Apotheke weiterführen. Als Sachverwalter überwachte ich fortan das Verfahren und begleitete den Sanierungsprozess.“ Gemeinsam bastelten Apotheker und Anwalt an einem Konzept. „Die Zusammenarbeit war reibungslos, er war sehr kooperativ“, lobt Kind.

Die Entschuldung schien auf einem guten Weg. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätten die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet, so Kind. „Diese Beträge tauchten als Sanierungsgewinne in den Büchern auf.“ Eine vom Bundesfinanzministerium 2003 an die Finanzämter erlassene Verwaltungsanweisung verhinderte bislang, dass diese ja nur virtuellen Gewinne besteuert werden. Doch der Bundesfinanzhof kippte diese Regelung im November 2017 endgültig. Der Bund habe es bislang versäumt, den Erlass in ein Gesetz zu fassen. „Wenn der Sanierungsgewinn besteuert wird, kann aber eine Sanierung nie funktionieren“, kommentiert Anwalt Kind. Auch Hüneke drohte seine mühsam zurückgewonnene Liquidität wieder zu verlieren.

Derweil habe sich eine Kaufinteressentin gefunden. „Doch sie konnte sich nicht mit dem Vermieter über Konditionen für eine Neuvermietung einigen.“ Zu einem späteren Zeitpunkt nahm der Anwalt noch einmal Kontakt zu ihr auf. Doch diesmal sei eine Übernahme nicht am Hausbesitzer gescheitert, sagt Kind. „Sie besaß bereits zwei weitere Apotheken und war im Begriff, eine von ihnen zu schließen, weil sie wegen des vorherrschenden Fachkräftemangels auf dem Land kein Personal finden konnte.“

Die persönliche Situation spitzte sich für Hüneke weiter zu. „Wirtschaftlich hätte die Apotheke nur funktioniert, wenn er selbst von Montag bis Samstag durchgehend gearbeitet und dazu noch alle Notdienste absolviert hätte“, berichtet Kind. Mittlerweile sei aber die Familie des Betreibers zurück ins heimatliche Gelsenkirchen gezogen. „Er hätte sie nur selten sehen können.“

Da linderte auch eine Entscheidung der EU-Kommission die Lage nur wenig. Sie befand im August, dass Sanierungserlässe keine rechtswidrigen Beihilfen seien und ermutigte die Bundesregierung, schnell ein passendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Das kann dauern. Nach zweieinhalb Jahren Hängepartie habe Hüneke aufgegeben, so Kind. „Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen, aber er traute sich nicht mehr zu, die Apotheke langfristig weiterzuführen.“

Immerhin habe das Drama noch halbwegs ein Happyend gefunden: Hüneke habe von einem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht, damit laufe der Mietvertrag Ende November aus. „Er arbeitet jetzt als angestellter Apotheker in Gelsenkirchen“, berichtet der Rechtsanwalt. „Bis zur Erteilung der Restschuldbefreiuung läuft das Insolvenzverfahren läuft weiter. Das ist üblicherweise sechs Jahre ab Verfahrenseröffnung. Er zahlt einen monatlichen Abschlag an die Gläubiger.“ Alle Apothekenmitarbeiter hätten am Standort weitervermittelt werden können. „Darüber freue ich mich.“

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