Pillentaxi-Urteil

Grundsatzstreit um Botendienst

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Berlin -

Die Botenfahrt einer Apotheke in Nordrhein-Westfalen am 11. September 2011 könnte weitreichende Folgen haben: Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat entschieden, dass Botendienste durch nicht-pharmazeutisches Personal nur erlaubt sind, wenn der Patient zuvor in der Apotheke beraten wurde. Während dies aus Sicht der klagenden Wettbewerbszentrale erhebliche Konsequenzen für das Konzept Pillentaxi haben könnte, beruhigt der Anbieter die Apotheken.

Eine Kundin hatte bei der Apotheke telefonisch Arzneimittel bestellt und um eine Auslieferung gebeten. Der Botendienst wurde von einer Auszubildenden der Apotheke ausgeführt. Das OLG sah darin eine Verstoß gegen die Beratungspflicht der Apotheke und verbot diese Form des Botendienstes.

Der Apothekerkammer Nordrhein ist das Modell schon länger ein Dorn im Auge. Nachdem sich mehrere Kollegen in Nordrhein beschwert hatten, war die Kammer aktiv geworden und hatte die Wettbewerbszentrale eingeschaltet.

Mit dem Urteil ist Kammerpräsident Lutz Engelen zufrieden: „Die Richter verweisen auf die qualitativen Unterschiede einer persönlichen Beratung und Versorgung in der Vor-Ort-Apotheke und der anonymisierten Abgabe im Versandhandel. Das ist sehr zu begrüßen.“ Die für die Versorgung notwendigen Qualitätsmaßstäbe müssten selbstverständlich für alle Apotheken gelten, so Engelen.

Pillentaxi sieht das eigene Geschäftsmodell durch das Urteil nicht gefährdet. Offenbar hatten sich nach dem Urteil Pillentaxi-Apotheken besorgt an ihren Anbieter gewandt. „Nach Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe freuen wir uns, Sie beruhigen zu können: Wer mit dem Pillentaxi fährt, bewegt sich auf der sicheren Seite“, heißt in einem Schreiben, das gestern an die Nutzer verschickt wurde.

Die Wettbewerbszentrale zieht einen anderen Schluss aus dem Urteil: „Mischformen“ zwischen Versandapotheken und stationärer Apotheke seien laut dem OLG unzulässig, so Rechtsanwältin Christiane Köber. Die Beratung müsse entweder in der Apotheker sichergestellt sein, oder durch eine pharmazeutische Fachkraft bei der Lieferung erfolgen. Mit Folgen für kommerzielle Anbieter: In vielen Fällen werde sich die Auslieferung der Arzneimittel durch den Apotheker oder eine PTA wirtschaftlich nicht rechnen.

Auch wenn kommerzielle Botendienste damit in Bedrängnis kommen könnten, ist die Entscheidung aus Köbers Sicht gut für die Apotheken: „Letztlich bietet das Urteil stationären Apotheken die Möglichkeit, sich weiter über eine kompetente Beratung und Betreuung des Kunden im Apothekenwettbewerb zu positionieren.“

Das OLG hatte den Botendienst klar vom normalen Versandhandel getrennt: In niedergelassenen Apotheken würden die Kunden – anders als bei Versandapotheken – eine aktive Beratung erwarten, so das Urteil.

Pillentaxi widerspricht: „Diese Feststellung steht sowohl im Widerspruch zur Lebenserfahrung als auch zu den einschlägigen Vorschriften.“ Schließlich würden viele Kunden selbst einen Boten schicken, etwa Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde. In diesem Fall finde auch keine Beratung statt. Zudem kenne das Gesetz keine unterschiedliche Anforderung an die Beratung bei Arzneimitteln je nach Vertriebsweg, so das Schreiben.

Das OLG Düsseldorf habe aber unmissverständlich anerkannt, dass ein Kunde nicht verpflichtet sei, sich einer „Zwangsberatung“ zu unterziehen. Demnach könne der Kunde bereits bei der Bestellung klarstellen, dass er auf eine Beratung durch den Boten verzichte. „Somit gibt es auch in Zukunft keinerlei Beschränkung, wer das Pillentaxi fahren muss“, sind die Betreiber überzeugt.

Bei Pillentaxi leasen die Apotheken gegen Gebühr einen rot-weißen Fiat mit einer auffälligen Pille auf der Heckscheibe. Die Kunden können ihre Arzneimittel im Internet bestellen und sich nach Hause liefern lassen. Derzeit nutzen nach Angaben des Unternehmens 102 Apotheken das Angebot, 112 Pillentaxis rollen demnach über Deutschlands Straßen.

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