Pharmahandelskonzerne

Weniger Ego für Celesio

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Am 30. Juni knallen bei Celesio die Korken. Denn das traditionelle Sommerfest fällt auf den letzten Arbeitstag von Konzernchef Dr. Fritz Oesterle. Wenn der letzte Gast das Haus verlassen hat, könnte es erst einmal ruhig werden um den vormals führenden Pharmagroßhändler in Europa. Denn dann sind bei Celesio Aufräumarbeiten angesagt. Der neue Vorstandsvorsitzende Markus Pinger will vieles anders machen als sein Vorgänger. Vor allem mit weniger Getöse.

Fragt man Pinger, was ihn an seinem neuen Posten gereizt hat, lautet die Antwort: „Die Gestaltungsmöglichkeiten.“ Damit meint der bisherige Beiersdorf-Markenvorstand natürlich einerseits die Machtfülle des Chefpostens, andererseits aber auch den strategischen Rückstau beim Stuttgarter Pharmahändler: „Celesio ist ein Unternehmen mit extrem guten Chancen und sehr vielversprechendem Potenzial.“ Angesichts der Marktposition könne man sehen, dass „in der Vergangenheit nicht alles falsch gemacht wurde“. „An die Erfolgsgeschichte lässt sich definitiv anknüpfen.“

Wohin die Reise bei Celesio gehen wird, will Pinger frühestens nach 100 Tagen im Amt verraten - also gegen Ende des Jahres. Bis dahin ist Zuhören angesagt, alles andere wäre vermessen, findet der Betriebswirt, der zwar die Themen Einkauf, Logistik und Markenführung aus dem Effeff beherrscht, nach eigenem Bekunden im Gesundheitsmarkt aber Nachholbedarf hat.

Dass Pinger für Haniel-Chef Professor Dr. Jürgen Kluge trotzdem der Richtige war und ist, zeigt schon das Anforderungsprofil: „Mäßigung in der Ausübung der verliehenen Macht“, „Disziplin“, „Beherrschung des Egos“, zitierte Pinger gegenüber der FAZ aus der Stellenbeschreibung. Die Inszenierung als bodenständiger Top-Manager zeigt, dass der Neue auf Haniel-Linie ist - und seinem Vorgänger kein Denkmal bauen wird.


Haniel hat Oesterle viel zu verdanken; der promovierte Jurist hat den Konzern in den vergangenen zwölf Jahren überhaupt erst aufgebaut. Um ein Haar hätte er sogar das europäische Apothekenrecht zu Fall gebracht. Am Ende fiel stattdessen ihm auf die Füße, dass er bei seinem vermeintlichen juristischen Meistercoup vergessen hatte, dass er nicht Anwalt, sondern Unternehmenschef war, und nicht mit einer Kostennote abtauchen konnte.

In Oesterles Fußstapfen kann und will Pinger nicht treten - also fährt er bewusst das Kontrastprogramm: Er habe bereits in jeder Abteilung gearbeitet, außer in der Rechtsabteilung, sagt der Diplom-Kaufmann. Für Celesio ein Kulturschock. Für den Eigentümer-Clan der erhoffte Befreiungsschlag. Oesterle wollte Stratege sein und das Gesundheitswesen nach seinen Interessen neu gestalten. Pinger steht dazu, dass er in erster Linie Kaufmann ist. Ob das reicht, um Celesio inhaltlich weiterzubringen, wird sich zeigen.

Seine Herausforderung wird sein, die vielen Löcher zu schließen, die sein Vorgänger aufgerissen hat. Oesterle hatte den Konzern politisiert - nicht nur durch den Kauf von DocMorris oder das Gemeinschaftsprojekt mit dem US-Gesundheitskonzern Medco. Hinzu kam ein an Winkelzügen reicher Umgang mit der verfassten Apothekerschaft und überhaupt eine intensive Lobby- und PR-Arbeit. Mitunter musste man allerdings den Eindruck gewinnen, die Stilisierung Celesios als Innovationsführer sei reiner Selbstzweck. Denn bislang hat sich keins von Oesterles Zukunftsprojekten ausgezahlt - nach der Gewinnwarnung der vergangenen Woche darf man gespannt sein, was Pinger bei seiner anstehenden Generalinventur noch zu Tage fördert.

Spannend wird auch, wie der neue Konzernchef mit der öffentlichen Inszenierung von Celesio umgehen wird. Oesterle, seines Zeichens britischer Honorarkonsul in Baden-Württemberg, war in Stuttgart fest verankert und hatte mit der Eröffnung des Hauptstadtbüros auch die Berliner Politikszene ins Visier genommen. Nicht immer trafen Oesterle und seine Politikberater die Nuancen: Dass sich etwa der baden-württembergische SPD-Vorsitzende Nils Schmid unlängst zu der Behauptung verstieg, die Celesio-Aktionäre hätten Oesterle mit „ganz außergewöhnlichem, minutenlangem Applaus“ und „frenetischem Beifall“ verabschiedet, schadete nicht nur der Glaubwürdigkeit des Politikers.

Dass auch Pinger weiß, wie wichtig die öffentliche Wahrnehmung für ihn in seiner neuen Rolle sein wird, zeigt die Tatsache, dass er seinen Amtsantritt professionell von einer renommierten PR-Agentur begleiten lässt. Auch Pinger ist öffentliche Auftritte gewohnt, etwa als Herr über das Milliardenbudget, das er für die Aufhübschung von Nivea zu verantworten hatte. Auch ein diszipliniertes Ego sollte niemand unterschätzen.

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