Steinhöring

Frisch verliebte Apothekengründer

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Berlin -

Michaela und Leonhard Wieser waren Mitte 20, als sie sich ihren Traum von der eigenen Apotheke erfüllten. Sie übernahmen vor fünf Jahren gemeinsam die Sophien-Apotheke im ländlichen Steinhöring bei München. Ein riskantes Vorhaben, nicht nur in finanzieller Hinsicht: Die beiden waren zu dem Zeitpunkt nicht einmal seit einem Jahr ein Paar.

Die zwei kennen sich seit der Schulzeit, sie haben das gleiche Gymnasium besucht. Damals waren sie noch nicht liiert. Pharmazie studierten sie nach dem Abitur in verschiedenen Städten: Sie ging nach München, er nach Halle. Als Approbierte trafen sie sich in der Heimat wieder – und lernten sich gewissermaßen neu kennen.

Beide arbeiteten damals als angestellte Apotheker in der Umgebung. „Doch wir träumten davon, eine eigene Apotheke zu leiten“, sagt Leonhard Wieser. In ihren Familien gab es keine Apotheker – und somit auch keine Apotheke. Mehr zufällig hörten sie, dass das Apothekerpaar Kneidl die Sophien-Apotheke in Steinhöring aufgeben wollte. Inhaber Karl Kneidl war bereits mehr als 60 Jahre alt und wollte in den Ruhestand gehen. Seine Frau, ebenfalls Apothekerin, war nur wenig jünger.

Die beiden jungen Apotheker sahen ihre Chance. Obwohl sie nicht einmal sechs Monate zusammen waren, überlegten sie, die Sophien-Apotheke gemeinsam zu übernehmen. Sie stellten sich dem Inhaber vor. Der war überrascht von der Anfrage, denn offiziell stand seine Apotheke gar nicht zum Verkauf.

Dann ging alles ziemlich schnell. „Wir haben die Kneidls an sie selbst erinnert; ein Apothekerpaar, dass zusammen eine Apotheke leiten will“, sagt Wieser. Gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau kaufte er die Apotheke. Beide sind Inhaber, dafür haben sie eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) gegründet. Das fanden sie fair – auch für den Fall, dass Zusammenarbeiten und Zusammensein nicht funktionierte. Bei geschäftlichen Entscheidungen hätten beide gleich viel Mitspracherecht, so Wieser.

Die Übernahme der Sophien-Apotheke war wohl die erste dieser Entscheidungen. Kritische Stimmen gab es durchaus: Ob sie mit ihren 26 und 27 Jahren nicht besser noch länger als Angestellte arbeiten sollten, ob bei einer Landapotheke das Risiko nicht viel zu hoch sei. „Kolleginnen meinten außerdem, sie hätten Bedenken, mit ihrem Partner zusammenzuarbeiten“, ergänzt Michaela Wieser.

Aber das Paar kannte den Standort gut und sah Potenzial. „Wir wussten, dass viele Anwohner in andere, weiter entfernte Apotheken fahren“, sagt Leonhard Wieser. Denn obwohl der Arzt im Ort am Mittwochnachmittag geöffnet hatte, war die Sophien-Apotheke zu. Die Wiesers verlängerten daher nach der Übernahme die Öffnungszeiten, führten ein QMS ein und beschäftigten mehr Personal. Am Anfang waren sie die einzigen Approbierten, nun gibt es unter den zehn Mitarbeitern zwei weitere Apotheker. „Wir suchen noch eine PTA“, sagen die beiden. Personal zu finden, sei auf dem Lande jedoch schwierig.

Der Bruder von Leonhard Wieser ist Unternehmensberater und hat die Apotheker bei ihrem Businessplan unterstützt. „Er ist eine große Hilfe für uns“, sagt Michaela Wieser. Weiterhin kontrolliert er regelmäßig die Geschäftszahlen und ist zufrieden mit der Sophien-Apotheke. Obwohl dort kürzlich das Labor modernisiert wurde – und Rezepturen aus finanzieller Sicht „ein Graus“ seien. Die Wiesers arbeiten oft mit einem Hautarzt zusammen, daher die Investition. „Wir haben ein gutes Kundenwachstum“, verrät Leonhard Wieser. „Die Anwohner haben offenbar Freude daran, junge Leute zu unterstützen.“

Im Oktober bekam das Paar das erste Kind, ein Mädchen. „Ich stand bis kurz vor der Geburt in der Offizin“, sagt die Apothekerin. Nun arbeitet sie von zu Hause aus und übernimmt Bürotätigkeiten. „Es ist schade, dass wir uns zurzeit nicht so oft sehen können“, sagt ihr Mann. „Zusammen zu arbeiten macht uns unglaublich viel Spaß.“

Auch ihre Entscheidungsfreiheit als Inhaber sei ihnen viel wert; angestellt wollen sie nicht wieder sein. Doch gerade zu Beginn der Selbstständigkeit hatten sie viel zu tun und mussten vieles in der Apotheke ändern. Dabei dürfe man nicht gleich resignieren. „Außerdem hatten wir in den fünf Jahren nur einen einzigen längeren Urlaub: zehn Tage Flitterwochen“, sagt Leonhard Wieser. Sonst seien nur Wochenendausflüge drin. Trotzdem raten sie frisch Approbierten von der Selbstständigkeit nicht ab: „Empfehlen würden wir es immer“, sagen beide einstimmig.

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