Renteneintritt

Abschiedsständchen für den Apotheker

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Berlin -

44 Jahre stand Roland Schmidtmayer hinter dem HV-Tisch. Zum Jahreswechsel hat er seine St. Jakobs Apotheke im bayerischen Wasserburg an einen jungen Kollegen übergeben. Zum Abschied – und zu Schmidtmayers 75. Geburtstag – spielte die Stadtkapelle vor der Offizin.

Schmidtmayer hatte seinen 75. Geburtstag am 29. Dezember als Stichtag für den Renteneintritt gewählt. „Eigentlich war das ja schon seit zehn Jahren überfällig“, sagt er. Die Kapelle habe das Ständchen im Vorfeld schon „angedroht“, erzählt er. „Also war es keine komplette Überraschung.“ Die St. Jakobs Apotheke habe mit regelmäßigen Spenden die Stadtkapelle unterstützt. Auch für den Karnevalsverein des Orts hat Schmidtmayer gespendet.

Er erinnert sich auf den Tag genau, wann er die St. Jakobs Apotheke übernommen hatte: am 26. November 1971. Seither habe sich der Arbeitsalltag stark gewandelt: „Ohne Computer geht heute nichts mehr“, sagt Schmidtmayer. Zugleich werde von den Krankenkassen alles reglementiert. „Als Apotheker haben wir inzwischen kaum noch etwas selbst zu entscheiden“, kritisiert er. „Wir dürfen nicht einmal ein richtiges Medikament abgeben, wenn es von der falschen Firma ist.“ Heutzutage laufe alles nach den Rabattverträgen.

Schmidtmayer ärgert es, dass von den Kassen kleinlich nach Gründen für Retaxationen gesucht werde. Kurz vor seinem Abschied habe er eine Retaxation wegen zwei Cent erhalten. „Das ist doch ein Witz“, findet er. Das habe ihm zuletzt etwas den Spaß am Apothekerberuf genommen. Den Kundenkontakt habe er dagegen immer geschätzt; 90 Prozent seiner Patienten seien Stammkunden gewesen. Schmidtmayers Tipp für eine lange Kundenbindung ist Ehrlichkeit. Von Präparaten, dass ihn nicht überzeugen konnten, hätte er aktiv abgeraten: „Investiere die 20 Euro lieber in zwei Flaschen guten Wein“, habe er zu manchem Kunden gesagt.

Tobias Schlosser, seinen Nachfolger, hat Schmidtmayer im November und Dezember eingearbeitet. Im Januar und Februar wird der 34-Jährige noch von Schmidtmayers Frau Christine unterstützt. Sie ist ebenfalls Apothekerin. Schmidtmayer selbst hat auch noch Arbeit vor sich; er muss Akten sortieren. „Kundenkontakt habe ich aber keinen mehr“, sagt er.

Der Ausstieg aus der Apotheke fällt Schmidtmayer nicht leicht. „Ich muss erst einmal zu mir selber finden, nachdem ich so lange für die Apotheke gelebt habe“, sagt er. Hobbies sind auf der Strecke geblieben. Schmidtmayer spielt Cello. Vor kurzem hat er einen 40 Jahre alten Zeitungsartikel wiederentdeckt – über ein Konzert im Rathaussaal, an dem er mitgewirkt hatte. „Damals habe ich aufgehört zu spielen, weil ich das Niveau nicht halten konnte“, sagt er. Drei- bis fünfmal pro Woche hätte er üben müssen. Das hat er wegen der Selbstständigkeit nicht geschafft.

Nun ist dafür wieder Zeit. Schmidtmayer hat sich sogar ein zweites Instrument zugelegt; ein Fagott. „Ich möchte gerne wieder musizieren“, sagt er. Vor einigen Jahren hat er sich zudem eine Spiegelreflexkamera mit mehreren Objektiven gekauft. Damals hatte er auch die Kamera aus Zeitmangel zur Seite legen müssen. Nun will er mit dem Fotografieren wieder beginnen.

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