Künstliche Befruchtung

Apotheke büßt für Kinderwunsch

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Berlin -

Pergoveris, Gonal F oder Menogon: Bei Arzneimitteln zur künstlichen Befruchtung müssen Apotheken aufpassen. Denn die Krankenkassen zahlen nur die Hälfte – den Rest müssen die Patienten tragen. Wird das übersehen, bleiben die Apotheken auf den Kosten sitzen. Das Geld nachträglich beim Kunden einzutreiben, ist nicht erlaubt. Das hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) entschieden.

Im Sozialgesetzbuch (SGB V) regelt §27a die künstliche Befruchtung. Anspruch auf Leistungen haben nur Frauen zwischen 25 und 40 Jahren beziehungsweise Männer bis 50 Jahre. Vor Beginn der Therapie muss ein Behandlungsplan erstellt und von den Kassen genehmigt werden. Die Versicherung übernimmt dann 50 Prozent der Kosten.

Das gilt nicht nur für die ärztlichen Leistungen, sondern auch für die benötigten Medikamente. Die Mediziner müssen deshalb auf dem Rezept vermerken, dass das Arzneimittel im Rahmen einer künstlichen Befruchtung eingesetzt wird. Üblicherweise geschieht das durch einen Hinweis auf §27a.

In einer Apotheke im thüringischen Bad Liebenstein wurde dieser Hinweis übersehen. Die Patientin erhielt Pergoveris und Gonal F, die Pharmazieingenieurin kassierte 20 Euro Zuzahlung. Die Apotheke reichte das Rezept bei der Krankenkasse ein. Die retaxierte rund 500 Euro, mit Verweis auf den entsprechenden Paragraphen und die Notiz des Arztes.

Die Pharmazieingenieurin suchte daraufhin die Patientin auf, erklärte ihr die Situation und bat sie darum, den offenen Betrag zu zahlen. Vergeblich. Die Apothekerin erhob Klage beim Sozialgericht Gotha (SG). Die Richter wiesen die Klage im Februar 2012 ab. Im August 2015 bestätigte das LSG die Entscheidung der Vorinstanz.

In den jetzt vorliegenden Urteilsgründen erklären die Richter, dass die Apotheke keinen Anspruch auf Zahlung der 500 Euro habe. Die Pharmazieingenieurin habe der Patientin das Angebot unterbreitet, die Arzneimittel für 20 Euro zu erwerben – und die Kundin nahm an. Damit sei ein Kaufvertrag zustande gekommen. Gründe, diesen anzufechten, liegen aus Sicht des Gerichts nicht vor. Schließlich trage derjenige, der einen bestimmten Preis ermittle und seinem Angebot zugrunde lege, auch das Risiko.

Für die Patientin sei zudem nicht ersichtlich gewesen, dass die Pharmazieingenieurin einen Fehler gemacht habe. Zwar habe ihr Arzt sie darüber aufgeklärt, dass sie die Hälfte der Kosten übernehmen müsse – sie habe die Arzneimittel jedoch zum ersten Mal erhalten und nicht gewusst, was sie kosteten, so die Richter. Die Patientin habe den genannten Betrag von 20 Euro als Kosten für die Medikamente verstanden und bezahlt.

Dass die Patientin den Irrtum theoretisch hätte erkennen können, spielt dabei laut Gericht keine Rolle. Anders hätte es lediglich dann ausgesehen, wenn sie sicher gewusst hätte, dass die Pharmazieingenieurin falsch lag, und sie sie nicht darauf hingewiesen hätte. Dann hätte sich der Fehler aber geradezu aufdrängen müssen.

Bei Arzneimitteln zur künstlichen Befruchtung kommt es immer wieder zu Retaxationen. Der Hinweis vom Arzt wird leicht übersehen. „Und von der Software kommt keine Meldung“, sagt die Apothekerin. Das ist aus ihrer Sicht ein großes Problem. Würde wenigstens ein Hinweis kommen, könnte man genauer hinschauen.

Besonders knifflig wird es, wenn die Ärzte bei der Verordnung nicht auf §27a verweisen. Das kann beispielsweise passieren, wenn Krankenkassen als Satzungsleistung die gesamten Kosten erstattet. Denn auch in diesem Fall zahlt die Kasse meist zunächst nur 50 Prozent und die Versicherten den Rest. Sie können sich das Geld allerdings von ihrer Versicherung zurückholen.

Noch schwieriger ist es für Apotheken in Bremen: Der Arznei-Liefervertrag zwischen dem Bremer Apothekerverein und der der AOK Bremen, dem BKK-Landesverband Mitte und der IKK gesund plus sieht vor, dass Apotheker nachfragen: „Deutet die Verordnung von Ovulationsauslösern auf eine entsprechende Behandlung hin, hat die Apotheke das Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung zu erfragen“, heißt es. Liegt eine Genehmigung vor, muss deren Nummer auf dem Rezept vermerkt werden. Andernfalls muss beim Arzt angerufen und geklärt werden, dass die Verordnung nichts mit einer künstlichen Befruchtung zu tun hat.

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