Apothekenhonorar

Knappschaft zahlt weniger – und unter Vorbehalt

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Berlin -

Wenn Medikamente in Deutschland außer Vertrieb gehen, sind Einzelimporte für Patienten mitunter überlebenswichtig. Für die Apotheken bedeutet der Exit von Präparaten mehr Aufwand – bei gleichzeitigem Risiko, bis ans Existenzlimit retaxiert zu werden. Die Krankenkassen haben erkannt, dass sich hier Geld holen lässt – wenn auch mit widersprüchlichen Begründungen. Die Knappschaft Bahn-See (KBS) kürzt nicht nur das Apothekenhonorar, sondern behält sich auch spätere Kürzungen vor.

Ein Apotheker aus Hessen ist verzweifelt. Er hat einen Patienten, der mit Tagrisso (Osimertinib) von AstraZeneca behandelt wird. Das Lungenkrebsmedikament wurde im Dezember vom deutschen Markt genommen. Patienten können weiterhin versorgt werden; ein Einzelimport durch eine Apotheke ist nach Paragraph 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) zulässig. Doch bei der Preisbildung spielt die Kasse nicht mit.

Im Januar brauchte der Patient neue Tabletten, sein Vorrat war knapp, es blieb wenig Zeit. Die Apotheke beantragte die Kostenübernahme bei der Knappschaft; man bat um schnelle Bearbeitung und eine schriftliche Genehmigung über den vollen Preis. Eine schnelle Lieferung war nur über die Internationale Apotheke (Ilapo) in München möglich. Importiert wurde aus der Schweiz binnen sechs Werktagen zu einem Apothekeneinkaufspreis (AEK) von 12.789,00 Euro. Mit einem Aufschlag von 3 Prozent plus 8,35 Euro plus 16 Cent und der Mehrwertsteuer ergab sich ein Gesamtpreis von 15.685,60 Euro.

Die Kasse stimmte zu, bezog sich auf eine Einzelfallentscheidung und genehmigte den beantragten Preis. Auch im nächsten Monat wurde das Medikament benötigt. Die Apotheke stellte erneut einen Antrag auf Kostenübernahme, erneut mit der Bitte um eine verbindliche Zusage bezüglich des Erstattungspreises.

Die Knappschaft wollte sich dieses Mal jedoch nicht festlegen. „Die Genehmigung erfolgt vorbehaltlich einer späteren Preisprüfung durch unsere Fachabteilung”, hieß es. Auch sei nicht der übliche Aufschlag für verschreibungspflichtige Importe anzusetzen, da die Preisbildung bei Einzelimporten nicht vertraglich geregelt sei. „Insofern kann einer Abrechnung nur nach folgender Berechnungsgrundlage zugestimmt werden: AEK des Importarzneimittels laut Lieferschein plus 1 Prozent plus Mehrwertsteuer.“ Somit kürzt die Knappschaft nicht nur um 2 Prozentpunkte, sondern zieht auch die Pauschale von 8,35 Euro und die 16 Cent zur Sicherstellung des Notdienstes ab.

Weiter hieß es: „Eine ausdrückliche Genehmigung des Apothekenverkaufspreises für das aus dem Ausland zu beziehende Arzneimittel Tagrisso können wir nicht erteilen.“ Den höheren Betrag hatte die Krankenkasse nach eigenem Bekunden nur mit Blick auf die dringliche Versorgung des Patienten akzeptiert. Es habe sich um eine „Ausnahme“ gehandelt.

Der Apotheker hatte im Vorfeld Angebote drei unterschiedlicher Importeure an die Knappschaft geschickt. Auch den Rabatt von 6 Prozent, den er von einem der Importeuren bekommt, hat er an die Krankenkasse weitergeben – um dann selbst mit 1 Prozent abgespeist zu werden, was nach seinen Angaben nicht einmal für die Vorfinanzierung reicht.

Auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC bekräftigte die Knappschaft ihre Position, dass die Preisberechnung von Einzelimporten in den Lieferverträgen nicht geregelt sei. „Daher behalten wir uns bei sehr hochpreisigen Arzneimitteln vor, einen geringeren Apothekenaufschlag zu gewähren.“ Man sei jedoch bereit, die „Beratungsgebühr“ in Höhe von 8,51 Euro zu vergüten.

Das Vorgehen der Kasse überrascht auch deshalb, weil das Landgericht Dresden vor einem Jahr entschieden hatte, dass Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auch für Einzelimporte gilt. In dem Streit ging um das Krebsmedikament Kadcyla (Trastuzumab Emtansin) von Roche, bei dem die Versicherung den ausgewiesenen AEK nicht akzeptieren wollte. Weil im Internet ein günstigerer Preis zu finden war, sollte die Apotheke rund 15.000 Euro plus Zinsen zurückzahlen.

Auch die Knappschaft behält sich das Recht vor, die Abrechnung zu Tagrisso im Nachhinein noch einmal zu korrigieren: „Im Falle der leistungsrechtlichen Genehmigung eines Einzelimports […] genehmigen wir diesen immer vorbehaltlich einer späteren Preisüberprüfung, da ausländische Arzneimittel Preisschwankungen unterliegen. Eine Preisgenehmigung vorab ist in den Arzneimittel-Lieferverträgen a) nicht vorgesehen und b) muss der Apotheker den jeweiligen Einkaufspreis durch Beifügung des Lieferscheins zur Verordnung nach dem Bezug nachweisen. Daher ist eine Preisprüfung erst im Rahmen der nachgelagerten Rezeptprüfung möglich.“

Mit anderen Worten: Apotheker müssen sich bei Einzelimporten darauf einstellen, dass die Kasse irgendwo einen günstigeren Preis ausgräbt und die Rechnung kürzt. Für den betroffenen Pharmazeuten aus Hessen ist dieses Vorgehen noch gravierender: „Für 'normale' Apotheken ist es ein hohes Risiko nicht zu wissen, ob eventuelle Retaxationen im drei- oder vierstelligen Bereich drohen“, so der Apotheker. Auch der Apothekerverband in Hessen ist bereits eingeschaltet. Für die Geschäftsstelle in Offenbach ist die Preisgestaltung der Knappschaft nicht zulässig.

Der Apotheker versucht, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Nachdem er bereits zweimal nur das gekürzte Honorar bekommen hat, liegt ihm aktuell eine weitere Verordnung über zwei Packungen Tagrisso vor. Der AEK schwankt zwischen den einzelnen Exportländern: Für die Schweiz variieren die Preise zwischen 10.205 Euro bis 12.347 Euro mit einer Lieferzeit von fünf bis zehn Werktagen. Kommt das Medikament aus Kanada, fallen Kosten zwischen 8570 Euro und 11.547 Euro an – bei einer Lieferzeit von zwei bis sechs Wochen.

Ein entsprechender Kostenvoranschlag zur Genehmigung wurde bereits an die Knappschaft geschickt. Auch diesmal hat der Apotheker um eine feste Zusage der Kostenübernahme gebeten, um sein Retax-Risiko so gering wie möglich zu halten. Allzu große Hoffnungen auf Verständnis seitens der Kasse macht er sich nicht: „Vermutlich kommt auch dieses Mal keine konkrete Zusage.“

Osimertinib wurde speziell für eine Patientengruppe entwickelt, die unter einer Tumormutation leidet, die zu Resistenzen führt. Der Wirkstoff gehört zu den Kinasehemmern und bindet selektiv an die mutierte Variante von EGFR. Die Tabletten werden einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Ohne den Wirkstoff fehlt eine optimale, gezielte Behandlung der Patienten mit EGFR-Resistenzen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte dem Präparat aufgrund von nicht direkt vergleichbaren Daten einen Zusatznutzen abgesprochen. Die vorgelegten Nachweise des Herstellers sahen die Experten als ungeeignet an. Die Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband scheiterten. Nun konnte der Hersteller die notwendigen Studiendaten nachreichen; in Wedel hofft man auf ein Comeback.

AstraZeneca ist zuversichtlich, dass die Ergebnisse einer direkten Vergleichsstudie von Osimertinib zu einer Platin-basierten Chemotherapie überzeugen können. Der Konzern erwartet einen Zusatznutzen und will dann in neue Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband gehen.

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